Antwort auf: Jahresrückblick 2019

#10965259  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

Beiträge: 12,006

gypsy-tail-windZu Braxton ich selbstredend ganz andere Kommentare gehört (kenne ja ein paar riesige Fans und hab auch von Alexander Hawkins, der schon bei der ersten Aufführung von „Sonic Genome“ – in Bergamo glaub ich, schon ein paar Jahre her – mitwirkte, wieder davon gehört und auch bei ihm leuchten sofort die Augen, wenn er davon erzählt.

hawkins sah ich nur zweimal mit einer melodica an mir vorbeilaufen, aber es gehörte eh zum konzept des abends, dass man nur ausschnitte mitbekam. und ich würde seiner einschätzung auf jeden fall höhere kompetenz zuschreiben als meiner. braxton ist ein unendlich faszinierender musiker und komponist (laubrock hat auf einem panel mal sehr schön über die arbeit mit seinen sheets erzählt), ich wollte mich schon immer mal intensiver mit seinen aufnahmen mit crispell beschäftigen, thomas borgmann schwärmt von recht aktuellen soloaufnahmen, irgendwann wird die zeit kommen, wo ich mich mal einhöre.

gypsy-tail-wind
Die Angleichung des Programmangebots scheint fortzuschreiten (und betrifft ja längst auch die Bühnen des deutschsprachigen Raums, sei es nun Sprech- und Rotztheater oder Oper) – vermutlich ist das ganze Beziehungsgeflecht (mit all den Abhängigkeiten, die sich aus geschuldeten Gefallen und Gegenleistungen so ergeben) inzwischen viel zu dicht gesponnen. Dennoch: in Zürich fehlt für die meisten dieser Leute der Rahmen, bei dem sie auftreten könnten, und das ist trotzdem bedauerlich.

das ist in berlin mit ausnahme einiger mikro-biotope nicht anders. tatsächlich war das jazzfest aber wieder ausgesprochen eigenständig und gut kuratiert, nadine deventer geht sehr schlau mit konzertarchitekturen um, es gab auch eine spannende neue nächtliche jam-reihe, einen größeren fokus auf musikalischen kollektiven usw. irritiert hat mich allerding das ständige gerede von „weltpremieren“ und „deutschen premieren“, das ich so nur von filmfestivals kenne – auch hier eine tendenz zur eventnebelkerze – wenn die ensembles schon überall das gleiche spielen, das scheint es plötzlich wichtig, wo sie damit zuerst auftreten usw. (lächerlich allein, weil es eine ernsthafte journalistische rezensionspraxis ja kaum mehr gibt).

gypsy-tail-wind
Die Geschichte von Mercer soll mir aber ein Ansporn sein, es irgendwann wieder mal bis Berlin zu schaffen!

das wäre toll, aber bitte nicht nächstes jahr, da bin ich dummerweise nicht in der stadt.

gypsy-tail-wind
bei beiden klingen die Bands wirklich gut (für Douglas‘ Verhältnisse sogar ziemlich überraschend – fast so, als hätte er mal wieder eine echte Herausforderung gesucht?).

ich weiß nicht, mir gefällt es vor allem, weil es so lässig daherkommt, mit sehr einfachen (manchmal scheint das auch nur so) kompositionen, aber viel sinn für klangfarben, individualismen, swing… die schönheit kommt eher aus dem zurückschrauben der ambitionen, scheint mir. tatsächlich hat aber kaum ein blog o.ä. das album bemerkt, es taucht auch in den jahresbestenlisten nirgends auf.

noch kurz zu euren anderen bemerkungen –

gypsy-tail-wind
Auf CD brachte dafür Peter Brötzmann ein berückend schönes Solo-Album mit Jazz- und anderen Standards heraus

das habe ich auch gehört und könnte das lob nicht unterschreiben. mir scheint sein spiel ausgeprochen kurzatmig (war das immer schon so, dass er wirklich keinen ton halten mag?) und sein sound ist natürlich geschmackssache. originell in vielen verzierungen, aber entwicklungen o.ä. gibt es ja eigentlich auch nicht. ich hab letztes jahr viel duoaufnahmen von ihm mit jason adasiewicz gehört, dazu würde ich immer viel eher greifen, wenn ich mal lust auf einen eher impressionistischen brötzmann habe.

tom harrell muss ich antesten, vielen dank für die erinnerung. das art ensemble habe ich auf cd ausgelassen, weil mich das live-konzert 2018 eher verstört hat – wie kommt denn da die sängerin zum einsatz?
bei charles gayle frage ich mich langsam, wie viele live-trioaufnahmen ich noch brauche, sein spiel ist ja längst nicht mehr so kraftvoll, die begleitband würde mich aber in diesem fall schon reizen – passiert da irgendetwas neues?

gypsy-tail-wind Vermisst seit 2019
Doris Day

ganz blöde frage @ alle: gibt’s da eine wirklich adäquate jazzaufnahme, die man empfehlen könnte? im zuge dieser swinging-christmas-programme kommt ja immer wieder mal was von ihr vor, und ich denk dann immer, dass sie ja echt was konnte (tonmodulation bei extrem langsamen tempi z.b., stell ich mir höllsich schwer vor), aber in dieser flut von schlechten greatest-hits-verpackungen traut man sich ja kaum zu suchen…

redbeansandriceJahre ohne das RS-Forum, schwieriges Thema, mal gespannt was die Zukunft bringt – ich bin ja doch ueberrascht, dass es immer noch da ist! Endlich jemand, der Brian Marsella nicht uneingeschraenkt super findet… Ich wollte unbedingt mal reinhoeren, aber dass alle immer nur positiv waren, war mir ein bisschen suspekt… ein Plattenspieler fuer mehr als 100 Euro ist auch geplant (bin ja noch immer ziemlich ahnungslos), aber bis zu Tone Poets ist es bei mir noch ein weiter Weg…

schön, auch wieder mal mehr von dir zu lesen! dass das forum hier noch halbwegs funktioniert, liegt natürlich an der unbeirrten aktivität von @gypsy-tail-wind und @soulpope, das ist schon toll. im allgemeinen glaube ich ja, dass internetforen ein aussterbendes format sind (meine medienwissenschaftsstudierenden sehen mich immer groß an, wenn ich sage, dass ich da hin und wieder aktiv bin), wahrscheinlich weil es bei so schwierig zu beschreibenden dingen wie „begeisterung für musik“ nicht wirklich interesse an austausch, sondern eher an ab-/ver-sicherung und an affektiven likes gibt. andererseits habe ich hier beim überfliegen der diskussion „welches bill-evans-boxset soll ich kaufen“ zum ersten mal von diesem obskuren lucy-reed-album gehört, also macht hier schon auch die informationsweitergabe sinn…

brian marsella war eine halbstündige qual, von der 3. minute an. ohne irgendeinen inner urge, gefälliges versatzstückchenverschieben, als wäre die postmoderne eine neue erfindung, integrativ, meistergeste, ein unendliches bürgerlich-männliches ausbreiten…

plattenspieler: kann als neu-einsteigermodell guten gewissens die pro-ject-debut-linie (unbedingt mit acryl-teller) aus österreich empfehlen, @soulpope kennt sich damit aus, glaube ich.

--