Antwort auf: Jahresrückblick 2019

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dietmar_

Registriert seit: 29.10.2013

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Danke Flurin für deine umfassenden, erhellendenen, auch erinnernden Beschreibungen und Listen. :)

Ich beschränke mich vorerst auf Livemusik in diesen Jahr. Ich habe kaum einen Überblick welche Alben ich 2019 erwarb und welche in diesem Jahr erschienen. Vielleicht schreibe ich später noch zu den einen oder anderen Album etwas?

David Murray Quartet ft. Saul Williams und Charles Lloyd Kindred Spirit – beide in Middelheim erlebt – sind meine Konzerthöhepunkt dieses Jahres, das allerdings nicht sehr üppig mit Terminen bestückt war. Natürlich muss ich auch Enrico Ravas Special Edition 80th Birthday nennen und die Auftritte von Ambrose Akinmusire in unterschiedlichen Projekten (auch in Middelheim) nennen. Leider konnte ich den Anschluss Akinmusires Reihe in Middelheim, den Auftritt seines Quartetts, nicht mehr miterleben.
Überhaupt die Tatsache Pharoah Sanders auf einer Bühne erlebt zu haben, zähle ich auch zu den besonderen Momenten in diesem Jahr, auch wenn er geschwächt wirkte, deswegen seine Band mit erhöhter Energie spielte, waren die kurzen Minuten, die er spielte, schön.
Es hat mich auch gefreut, dass wir uns – und redbeansandrice – in Belgien kennenlernen konnten. :)

Was gab es sonst noch an erinnerswerten Auftritten?
Im Februar hat mir Phil Donkin & Masterfrown gefallen. Der Bassist Phil Donkin mit dem Altsaxophonisten Tom Challenger, Joris Roelofs an der Bassklarinette und den Drummer Martin France. Roelofs* sah ich noch ein zweites Mal im vergangenen Jahr, später dazu mehr, France kenne ich über Kenny Wheeler, Challenger war mir bis dato nicht bekannt. Donkin kannte ich von einigen, recht unterschiedlichen Aufnahmen, die die eine Gemeinsamkeit hatten, sie gefielen mir.

Am 22. März sah ich Richie Beirach mit Reiner Witzel, Christian Scheuber und Joscha Oetz, die als Trio ›Drei im roten Kreis‹ unterwegs sind. Das Konzert ließ mich ein wenig ratlos zurück. Keine Frage Beirach spielte toll, ich genoss jede Sekunde davon. Zu jeder Zeit ist man sich seines Könnens bewusst. Doch warum tourt er mit so einer (größtenteils) drittklassigen Band? Den Bassisten Joscha Oetz möchte ich ausdrücklich von diesem Ettikett ausnehmen, ich sah ihn schon sehr gut in unterschiedlichen Bands, seiner eigenen „Perfektomat“ mit Niels Klein, Simon Nabatov, Laura Robles und Bodek Janke oder ebenso gut im Kontrabassquartett „BASZ“ mit Dieter Manderscheid, Sebastian Gramms und Robert Landfermann. Aber den Saxophonisten Reiner Witzel und den Drummer Christian Scheuber halte ich für große Langweiler, deren Können recht schnell Grenzen finden.
So spitzte ich jedes Mal meine Ohren an, wenn Beirach spielte. Wahrscheinlich war mein Seufzen zu hören, wenn Saxophon oder Schlagzeug dazu kamen? ;)

Eine Woche später, am 29. März, gab es ein Konzert mit Tobias Meinhart Berlin People ft. Kurt Rosenwinkel (Ludwig Hornung – p, Tom Berkmann – b und Mathias Ruppnig – dr). Durchaus ein schönes Konzert, mit immer wieder guten Momenten, doch hängengeblieben ist mir trotz des prominenten Gitarristen nicht viel. Ich bin aber auch nicht der ganz große Rosenwinkel-Freund und die Gitarre hat es bei mir in der Jazzmusik oft nicht leicht zu überzeugen, das ist rein subjektiv.

Am 29. September trat Mulatu Astatke mit einer tollen Band im Rahmen des düsseldorf festivals auf. Dabei waren außerdem:
“James Arben – musikalische leitung, saxophon [und flöte]
Byron Wallen – trompete
Danny Keane – cello
Alexander Hawkins – piano, keyboard
John Edwards – kontrabass
Richard Olatunde Baker – percussion
Jon Scott – schlagzeug“
(aus dem Programmheft)
Toller Abend, mit tollen Solisten. Wenig Überraschendes, was nicht überraschend war. Aber es macht schon großen Spaß wenn die Maschine loslegt und wenn Solisten wie Byron Wallen, Danny Keane, John Edwards und vor allem Alexander Hawkins dabei sind.

Am 12. Oktober erfüllte ich mir einen weiteren langjährigen Wunsch: endlich konnte ich Han Bennink sehen. Zusammen mit dem Bassklarinettisten Joris Roelofs* wurde Musik aus dem aktuellen Album „Icarus“ gespielt. Roelofs habe ich beide Male gerne gesehen, der kann schon was an der Bassklarinette. Bei Han Benninks war es mir auch wichtig einen guten Blick auf die Bühne zu haben, das ist mir bei manchen Konzerten schon auch zweitrangig. Doch Han bot das erwartete Spiel, sowohl musikalisch als komödiantisch war es eine große Freude. Ich bedauerte ein wenig, dass nicht Eric Dolphys „Something Sweet, Something Tender“ gespielt, zum einen wegen Benninks Verbindung zu Dolphy (Last Exit) und wenn man schon eine Bassklarinette in Reichweite und das Repertoire hätte den Dolphy hergegeben, wäre schön und ein Leichtes gewesen das auch zu spielen.

Abgesehen von den zeitlich vorgezogenen Middelheim-Konzerten, waren das alles Termine aus der düsseldorfer Jazz Schmiede.

Kurz vor Nikolaus gab es dann noch ein Highlight im Loft in Köln:
das von Schlippenbach Trio mit Evan Parker und Paul Lytton. Für mich ein richtig schöner Jahresabschluss in einem verhältnismäßig ruhigen Konzertjahr, wenn ich mal das ungewohnte weite Reisen nach Antwerpen zu Middelheim Jazz außen vorlasse. Schlippenbachs Spiel gefiel mir richtig gut, packend Parker mit enormer Ausdauer und schönen Ton und Lytton war Angelpunkt des Ganzen und spielte teils ziemlich ungewohnte Dinge für mich jedenfalls, eine mehr als würdige Vertretung für Paul Lovens außerhalb Berlins.

Die Konzerte mit Bennink und Schlippenbach/Parker/Lytton kommen in meiner Einschätzung fast an die Konzerte in Middelheim (Murray/Williams und Lloyd) heran. Jeweils fehlt ein kleiner Tick, der auch kaum zu benennen ist, für die erweiterte Jahreskrone. Aber es ist und bleibt immer eine subjektive Angelegenheit.

Das waren die prägendsten Jazzkonzerterlebnisse des Jahres. Es gab noch ein paar andere Sachen, doch wenn ich mich nicht mehr an die Namen erinnere beim betrachten der Fotos, dann kann ich darüber auch nichts schreiben. In Middelheim gab es noch ein paar weitere gute Sachen, doch belasse ich es mal mit einem Hinweis auf den betreffenden Thread.

Flurin, ein kleiner Fehler ist dir wohl unterlaufen: bei „Free Improv“ schreibst du vom Tripelalbum Bill Frisells auf Intakt, das soll wohl Fred Frith bedeuten, nehme ich an? ;)

Ich hoffe selbst, dass ich nicht allzu viele Flüchtigkeitsfehler gemacht habe, unterwegs vom Phone aus, kann da schon mal etwas übersehen.

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