Re: Simple Minds

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

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In kurzen und knappen Worten, bzw. unmissverständlicher Sternewerferei, kann man sehr gut nachvollziehen und letztlich erkennen, was ich vom Simple Minds’schen Karriereverlauf von 1978 – Heute halte:

Nachdem man sich vom unsäglichen Bandnamen „Johnny And The Self Abusers“ verabschiedete und demzufolge auch von unoriginellem Nachahmer-Punkrock, wurde man zu einer waschechten „New Wave“-Band, mit der man ungeniert die Vorliebe für diverse Vorbilder wie Roxy Music, Lou Reed, Eno, Kraftwerk und andere Glamrocker und Kraut-Elektroniker raushängen lassen konnte.
Die Alben „Life In A Day“ (**1/2 – ***), „Real To Real Cacophony“ (***1/2) (mit dem Titelstück lieferte man ein beinahe als Unverschämtheit zu bezeichnendes Kraftwerk-Rip Off von „Radioaktivität“ ab…) und „Empires And Dance“ (****) (mit dem für mein Dafürhalten besten Simple Minds-Song „I Travel“ – eine in nervös flirrende Elektronik eingebettete Kosmopolitenexkursion) sind klassische von ihrer Zeit geprägte Wave-Alben mit Synthi-Unterbau – ohne allerdings in Gesamtheit die Klasse der „Konkurrenz“ zu erreichen. Daher wurden die Simple Minds auch regelmässig von der Kritikerkaste, wenn nicht gar abgewatscht, zumindest mitleidig belächelt.
Mit dem zunächst als Doppelalbum veröffentlichten (später als zwei eigenständig in den Handel platzierte LPs) „Sons And Fascination/Sister Feelings Call“ (**** – ****1/2) wagte man grössere und ausladendere Gesten. Als Produzent gewann man niemanden geringeren als Steve Hillage, zusammen frönte man einer Leidenschaft für elektronische Sounds, die auf diesen „Schwester“-VÖs ihren Höhepunkt erreichten – und man wurde auch „poppiger“. Gleichzeitig wurde man (auch) aufgrund der optischen Präsenz als Vertreter des „New Romantic“-Movements einkategorisiert – um ein Album später bei „New Pop“ anzukommen. Ein Umstand, der der Band wohl nicht unangenehm war, wohlgemerkt (man schaue sich das Jim Kerr’sche Herumgepose in diversen damaligen Videos ruhig einmal an…). Wie auch immer, mit „Love Song“ und „The American“ hatte man zwei respektable mittelprächtige Hits (und Hymnen) am Start. Ein gewisser Herr Peter Gabriel fungierte als Karriere-Steigbügelhalter, als er die Band als Support-Act mit auf Tour nahm. Kurzzeitig war Mr. Gabriel auch als Produzent für das kommende Album im Gespräch.
Das dann auch kam. Der Durchbruch, 1982 mit „New Gold Dream“ (****1/2 – *****). Hit reihte sich an Hit („Glittering Prize“, „Promised You A Miracle“, Someone Somewhere In Summertime“), kein Ausfall – und eine Band die ein Händchen für zeitgemässen Pop bewies. So hat „New Gold Dream“ bis heute den Status inne, eines der Vorzeigealben des „New Pop“ zu sein. Und mit dem Synthielauf des Titeltracks inspirierte man u.a. ein knappes Jahrzehnt später Techno-DJs und -Musiker.
Danach folgte der unaufhaltsame kommerzielle Erfolg und Aufstieg der Band, damit legte man allerdings gleichzeitig den Grundstein des künstlerischen Abstiegs. Man stieg in die Stadionrock-Oberliga auf, zur damaligen Zeit bewegte sich die Band auf Augenhöhe mit U2 – heutzutags kaum mehr vorstellbar, oder? Mit „Sparkle In The Rain“ (*** – ***1/2) flossen vermehrt „Rockelemente“ (wie man immer so schön sagt – sic!) in den Simple Minds-Musikbetrieb ein. Überzeugen konnten zwar die Singles „Waterfront“ und „Speed Your Love To Me“, aber an einer Lou Reed-Coverversion (ausgerechnet „Street Hassle“) verhob man sich gewaltig. Dann kam’s: der Überhit (und bis zum heutigen Tage einer der totgedudelsten Formatradiofavoriten – als hätte die Band nur diesen einen Song veröffentlicht…). Jawohl, „Don’t You Forget About Me“ (*1/2), das breitenwirksamste Visitenkärtchen von J. Kerr & Co. Ein unoriginelles und klumpiges Stadionpoprockgebilde, ganz nach US-Musik“geschmack“ (natürlich markiert der Song den „Durchbruch“ in den Staaten – lag wohl auch daran, daß er in der Teenschmonzette „Breakfast Club“ zu großen Ehren kam), das zwischen Foreigner und Toto auf einem Mixtape nicht großartig herausstechen würde. Das grauslichste an „Don’t You…“ (und eigentlich sollte ich den gnädigen halben * noch abziehen) ist der „lalalala“-Mitgrölfaktor, den auch jede Flachschippe in einem Kirmesbierzelt noch hinbekommt…
Fast vollkommen im Fahrwasser von U2 (aber noch nicht mal deren Klasse erreichend…) bewegt sich „Once Upon A Time“ (** – **1/2). Ein vollkommen mut- und farbloses Schema-F-Pop/Rock-Album. Bemüht, die neugewonnene „Kundschaft“ nicht gleich wieder zu verlieren. Auch visuell hielt sich (gerade) J. Kerr an gängige Bono-Maßstäbe…
„Street Fighting Years“ (**1/2) bescherte der Band nochmals einen Riesenerfolg, bevor man endgültig zu Beginn der Neunziger ins (aus künstlerischer Sichtweise) Bodenlose versank. „Street Fighting Years“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Von den Massen geliebt – und von ehemaligen Fans aus der „New Wave“-Ära in die Tonne getreten. Zum Teil geht unerträgliches Gutgemenschele von diesem Album aus. Die Singles „Belfast Child“ und „Biko“ (eine ziemlich verhunzte Peter Gabriel-Coverversion) drücken gehörig auf die Tränendrüse. Betroffenheitspop for the masses. Ein Album für Tracy Chapman-Fans. Und das Coverartwork hat für immer einen Ehrenplatz in meiner Top 10 der „hässlichsten Plattenhüllen“.
Danach interessierte mich kein einziges Simple Minds-Album mehr. Ich weiß noch von einem entsetzlichen Coverversionen-Album (ohne Wertung), zu dem ich einmal in den „Genuß“ kam, es hören zu „dürfen“ (mich schauderts heute noch). Aber Coverversionen waren eh nie eine Stärke der Band…

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad