Antwort auf: Charles Lloyd

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gypsy-tail-wind
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generell: nur langweilig, aber …

die besten Alben: für Hippies die Atlantics, für Althippies die ECMs der mittleren 90er (zum Geriatrikersex oder zweisamen Sternegucken mit Parfümkerze besonders „The Water Is Wide“)

die besten Zeiten: keine Ahnung, sind immer schon vorbei oder noch nicht da?

was kann das neue Album: weiss ich nicht, ist noch nicht erschienen

Im Sommer beim Middelheim-Festival war Lloyd, wie hier ja anderswo zu lesen ist, super. Er tritt dieses Woche hier in Zürich beim jazznojazz auf und es erscheint auch ein neues Album, auf dem Julian Lage zu hören ist – was es direkt in die Kategorie der möglicherweise zu berücksichtigenden Alben katapultiert (bei mir jedenfalls). In der NZZ findet sich heute ein Artikel über Lloyd:
https://www.nzz.ch/feuilleton/saxofonist-charles-lloyd-eroeffnet-das-festival-jazznojazz-2019-ld.1517504
Ans Konzert gehe ich nicht, ich hörte ihn aber 2001 beim jazznojazz, damals auch schon mit Gitarre, aber im Quartett ohne Klavier (John Abercrombie, Marc Johnson, Billy Hart).

Um den Einstieg noch zu kommentieren: mein Verhältnis zu Lloyd ist höchst zwiespältig – mal geht er mir mit seinem leichtgewichtigen Hippie-Gesäusel auf den Sack, dann wieder überzeugt er mich total … er wurde, so scheint mir, im Alter jedenfalls immer besser. Die frühen Aufnahmen mit Jarrett lassen sich natürlich sehr gut anhören, aber es ist auch recht klar, warum diese so zugängliche Musik damals den Nerv des (Rock-)Publikums traf … in den 80ern kam er dann nachdenklicher zurück, die Kombination Lloyd/ECM/Bobo Stenson Trio passte super, das zog sich bis zu „Canto“ (das ich immer noch schätze), dann folgte die Phase mit Abercrombie (ein Album habe ich aus der Zeit nicht im Regal, aber das erwähnte Konzert war gut, löste meinen Zwiespalt aber keineswegs auf), danach stiess Brad Mehldau dazu (der ist auf den letzten Aufnahmen mit Billy HIggins an Bord, neben dem Sternegucker-Album auch das sehr viel bessere „Hyperion with Higgins“), dann war die Gitarre wieder raus, dafür Geri Allen und Jason Moran an Bord für ein paar phantastische Alben (auf dem ersten, „Lift Every Voice“, ist Abercrombie neben Allen noch dabei, dann folgten die ebenfalls tollen „Jumping the Creek“ und „Rabo de nube“ und weitere, die ich noch nicht kenne). Morans Nachfolger war und ist Gerald Clayton, für das wiederum hervorragende „Passin‘ Thru“ kehrte Moran aber nochmal zurück.

Daneben gab es auch eine Öffnung: ein Album mit Zakir Hussain/Eric Harland (das ich noch nicht kenne), das „Athens Concert“ auf dem neben dem Quartett (mit Moran) auch die Sängerin Maria Farantouri und zwei weitere griechische Musiker an traditionellen Instrumenten mitwirken (ebenfalls sehr schön), dann erschien mit einiger Verspätung auch das Duo-Doppelalbum mit Billy Higgins, „Which Way Is East“ (in der Regel nicht so beliebt, aber ich mag es gerne). Von den Alben mit The Marvels kenne ich nur das erste und fand es ziemlich zahm/hübsch/nett, also verzichtbar … das zweite, auf dem noch Lucinda Williams dabei ist, hörte ich dann nicht mehr an.

Es gibt für mich also trotz allen Zwiespalts eine mehr denn ordentliche Ausbeute in Lloyds Diskographie … aber damit, dass ich ihn vorbehaltlos schätzen werde, rechne ich nicht mehr. Ist auch in Ordnung so, er macht sein Ding, es ist dabei offensichtlich (was ja der NZZ-Artikel auch herausstreicht), dass er nicht der Kohle nachsteigt (bzw. nicht mehr, es gibt ja eine etwas unschöne Episode aus den frühen Jahren, als Chico Hamilton Lloyd und seine Frau im Gartenhäuschen wohnen liess, und als dann der Erfolg losging, war er anscheinend kommentar- und danklos weg, ohne jemals zurückzublicken … nachzulesen in Ted Gioias „West Coast Jazz“, was ja bekanntlich ein hervorragendes, äusserst lehrreiches Buch ist).

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