Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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yaiza

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yaiza… habe gerade einen kleinen Bericht zum gestrigen Konzert mit András Schiff (Bach-Beethoven-Bartók) verloren und hole ihn in den nächsten Tagen nach… Hier schon mal eine Rezension: https://www.morgenpost.de/kultur/article226179863/So-mitreissend-beendet-Andras-Schiff-die-Saison.html

mal sehen, wie weit ich heute komme B-)

 

Konzerthaus Berlin,  Sa, 15. Juni 2019  Großer Saal, 20:00

András Schiff (Klavier, Dir.), Konzerthausorchester

Johann Sebastian Bach: Italienisches Konzert F-Dur BWV 971

Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15

Béla Bartók: Konzert für Orchester Sz 116

Dieses Konzert verfolgte das Konzept, das „Konzert“ in den Mittelpunkt zu stellen. Eine sehr schöne Idee, Konzerte von verschiedenen Seiten zu beleuchten. András Schiff begrüßte die Zuschauer sehr ausführlich… sorgte auch für einige Schmunzler (z.B. „Bach war nie in Italien – da hat er wirklich was verpasst“). Im Großen Saal war es unglaublich ruhig, die Spannung war spürbar. Die erste Viertelstunde ging mit dem Italienischen Konzert viel zu schnell vorbei. Vom 2. Rang aus hatte ich auch einen guten Blick auf ihn, er sah so unglaublich entspannt aus. (Ich hatte bereits gelesen, dass er als Bachexperte gilt. Er hatte vorher noch erwähnt, dass er das Konzert auch gern auf Cembalo spielt, aber das wäre für den Großen Saal zu leise. Diese Hörerfahrung mit den alten Instrumenten mache ich nur zwei Tage später im gleichen Saal. Ich kannte bis dato nur seine Bartók-Einspielung von einer Decca-Uralt-CD. Der Appetit auf mehr ist geweckt.)

Daran schloss sich das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 von Beethoven an. In den Kritiken der Berliner Tageszeitungen ist schön nachzulesen, wie Schiff seine Soloparts und das Dirigieren verknüpft. Sobald das jeweilige Solo beendet war, sprang er auf und tanzte fast vor dem Orchester. Das war für mich auch eine Premiere, hatte ich so noch nicht gesehen. Der Stil ähnelte mehr einem Anfeuern, jede Instrumentengruppe bekam diese Anfeuerungsaufforderungen ab. Aber jede/r wusste, was zu tun war. An solchen Abenden freue ich mich dann, einen Platz mit Blick auf’s Orchester zu haben… der 2. Rang ist zwar nicht so rückenfreundlich, weil man sich immer vorlehnt (bei Anlehnen schaut man nur in die Kronleuchter), aber es lohnt sich.

Nach der Pause wurde das Konzert für Orchester von Bartók mit Schiff als Dirigenten aufgeführt. Müsste ich mich entscheiden und einen dieser drei Teile hervorheben, würde ich mich für dieses Konzert entscheiden. Das Konzert ist 1943 im amerikanischen Exil entstanden, Bartók war schon sehr krank und benötgte diesen Auftrag für seinen Lebensunterhalt. (Serge Koussevitzky/BSO — hier weist das Programmheft noch mit Ausrufungszeichen darauf hin, dass das „B“ für Boston steht. Das Konzerthausorchester hieß bis zu seiner Umbenennung 2006 auch BSO – Berliner Sinfonie Orchester). Ein anderer Auftrag für eine Sonate für Violine kam in dieser Zeit von Yehudi Menuhin. Im Dez. 1944 wurde dasKonzert in Boston uraufgeführt. Schiff ging vorher natürlich auch auf das Thema Vertreibung, Flucht, Krieg, Zensur im Land etc. ein. Er selbst zeigte sich auch sehr begeistert, was Bartók in dieser Phase schuf. Im Programmheft findet sich dieses Zitat von Menuhin:

„Das Exil machte Bártok zum Unbehausten, Ausgestoßenen, der nichts mehr brauchte außer einem Bett, einem Tisch, um daran schreiben zu können, und – was vielleicht als Luxus gelten kann – absoluter Ruhe, in der seine innere Konzentration fruchtbar werden konnte. Waren diese Bedürfnisse gestillt, so verströmte er die Reichtümer seines Geistes. Er brauchte dazu offenbar weder den Beifall der Kritiker noch die Zustimmung eines Publikums.“  Yehudi Menuhin in seinem Buch „Unvollendete Reise“ 1976

Musikalisch gesehen ist dieses Konzert sehr abwechslungsreich. Bartók brauchte hier seine Volksliederforschung ein und ging nach dem Prinzip „Je einfacher die Melodie, desto komplizierter darf die Begleitung sein“ vor. Das Konzert geht unheimlich gut ins Ohr, an vielen Stellen hört man auf und hat das Gefühl, vieles zu erkennen. Es gibt keinen herausgehobenen Solisten, alle Instrumentengruppen haben anspruchsvolle Parts zu meistern. Ich hatte oft auch Regenbogen und Mosaike vor Augen. Nach dem Schluss und dem langen Schlussapplaus im Stehen, haben sich viele erst nochmal zum Sammeln hingesetzt. Ich war auch tief beeindruckt und möchte mir das Konzert auf CD zulegen, aber da geht’s schon wieder los… welche Einspielung? Fast tendiere ich dazu nach der ältestmöglichen zu suchen.

zuletzt geändert von yaiza

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