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Track-by-track Kommentare, Part 3 of 3.
Ich habe leider @gypsy-tail-wind s letzte Sendung zum Thema auf Stone FM verpasst. Schande über mich, aber so unwahrscheinlich es klingt, ich hatte etwas wichtigeres vor.
Unabhängig davon möchte ich meine track-by-track Kommentare dieser Compilation hier noch zu Ende bringen. Zugegeben betrachtet die Compi nicht thematisch die prä-Bop-Ära sondern ist rein chronologisch konzipiert. Und so würde man die letzten 6 Tracks auch im Reich von Bop und Verwandtem verorten. Dennoch schreibe ich ein paar Worte dazu. Vielleicht ist da ja auch der Zusammenhang ganz interessant.
Vermutlich ist es keine dramaturgische Absicht dieser Zusammenstellung, aber der Bruch zwischen
Traditional Jazz und Modern Jazz ist hier doch recht klar dargestellt – wenn auch durchaus die Einflüsse des Swing und der Big Bands im Bop zu hören sind.
13. Art Blakey‘s Jazz Messengers – The Thin Man (1947)
Klingt wie ein Swing-Bläser-Riff mit t., alt-sax., und tb., das in zu hoher Geschwindigkeit abgespielt wird, zu hohe Intervallsprünge hat und einem drummer mit ADHS. Und auch die Solisten (Kenny Dorham u.a.), klingen wie etwas zu doll aufgezogen. Und gleichzeitig hat es die Stringenz und den Drive eines ganzen Swing-Orchesters.
14. Thelonious Monk – Misterioso (1948)
Thelonious Monk verzerrt das Raum-Zeit-Kontinuum auf seine eigene Weise. Ist das eigentlich ein Blues oder ein Boogie, aber durch den time tunnel geschickt, mit Dehnungen, Verdichtungen und Spannungen, die bis dahin den Naturgesetzen zu widersprechen schienen? Gypsy schrieb, das Monk der high priest of Bebob genannt wurde, ohne selbst diesen Stil zu spielen. Nichts ist richtiger als das! Großartig wie Milt Jackson am Vibrafon mit, zwischen und gegen Monk spielt. Die Blue Note-Aufnahmen von Monk sind nicht nur seine besten, sie sind auch einzigartig und wirken auch noch nach Jahrzehnten wie nicht von dieser Welt.
15. Tadd Dameron Septet – Jahbero (1948)
Blue Note goes afro-cuban mit dem conguero Chano Pozo und dem strahlenden Trompeter Fats Navarro, zwei früh Verstorbenen also – in beiden Fällen waren direkt oder indirekt Drogen mit im Spiel. Die Besetzung mit drei Bläsern ( 1 x Trompete und 2 x Sax) und das Arrangement von Tadd Dameron sugerrieren irgendwie eine größere Band und ja – hier meine ich, den Einfluss der Swing Bands herauszuhören. Rhythmisch dicht und gepfeffert, voller Melodie- und Klangreichtum. Kein Wunder, denn Tadd Dameron hatte zuvor für u.a. Count Basie und Artie Shaw gearbeitet und nannte Gershwin und Ellington als seine Vorbilder. Auch nur 48 Jahre alt geworden. Tragisch.
16. James Moody – Workshop (1948)
Und wieder eine mittelgroße Besetzung, diesmal mit 5 Bläsern und einem entsprechend vielschichtig raffinierten Arrangement von Gil Fuller. Von den Beteiligten kenne ich gerade mal den leader und den Baritonisten Cecil Payne mit Namen.
17. Bud Powell – Dance Of the Infidels / alternate take (1949)
Hier hingegen ein all star line up mit noch mal Fats Navarro, Sonny Rollins, Tommy Potter und Roy Haynes. Und auch eine schlankere und deutlich flinkere und wendigere, fast Haken schlagende Besetzung. Aber alles präzise, gestochen scharf, kurz und knapp.
18. Howard McGhee – Lo-Flame (1950)
Auch das hier sehr agil und gleichzeitig sehr tight. Klar, damit – wie auch mit dem vorherigen track – stehen wir mit beiden Beinen im Bebop. Drei Bläser, neben HMcG (t.) J.J. Johnson (tb.) und Brew Moore (ts), die dem track genug Fleisch geben. Kenny Drew (p.), einem Curley Russell (b.) und Max Roach (dr.) sorgen für den dynamischen Antrieb. Auch das sehr schön auf den Punkt gebracht.
So, das war‘s! Vielleicht hat der eine oder die andere ja mitgelesen und mitgehört. Diese kleine unscheinbare Compilation ist ein in meinen Ohren recht schöner Abriss der Blue Note Jahre 1939-50. Sicher nicht repräsentativ, aber ein guter Appetithappen, der Lust macht.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)