Antwort auf: Blue Note Records – Die frühen Jahre (New Orleans Jazz, Boogie, Swing, Blues)

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friedrich

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Track-by-track Kommentare, Part 2 of 3.

J.P. Johnson Blue Note Jazzmen – After You‘ve Gone (1944)

Ist das eher hüpfend oder doch mehr swingend? Fängt wie ein Boogie auf dem Piano an, und kippt dann irgendwie in den Swing. Egal, der fingersnippin‘ groove ist da und ich gehe sofort mit. Über diesen groove wechseln sich die Solisten, Trompete, Posaune, natürlich der Pianist J.P. Johnson und der groooßartige Ben Webster am Tenor ab. Btw. erscheint es mir beim Hören dieses Stückes nicht sooo tragisch, dass „sie gegangen ist“. ;-)

Art Hodes Blue Five – Gut Bucket Blues (1944)

Das hier klingt fast schon etwas altmodischer mit dem etwas schlicht stapfendem beat. Mehr New Orleans als New York, mehr marching band als ball room. Mezz Mezzrow an der Klarinette, die quasi Parallel-Improvisationen von Klarinette und Trompete klingen auch mehr nach French Quarter als nach Harlem. Nett. Mezz Mezzrow? Diesen Namen hatte ich bislang erst aus dem Munde von Van Morrison (!) gehört, der ihn in romantischer Verklärung seiner Jugend vorm Kurzwellenradio erwähnt. Und Recherchen ergeben, dass Mezz Mezzrow keineswegs aus New Orleans stammte, sondern aus Chicago. Aber vielleicht liegt Chicago in kultureller Hinsicht via Mississippi sogar näher bei New Orleans als bei NYC und vielleicht war MM tatsächlich ein „white negro“, wie er selber gerne behauptete.

Benny Morton‘s All Stars – Conversing In Blue (1945)

Das kenne ich schon von der tollen Blue Note Swingtets-Compi. Ein schleppender Blues mit dem -hier eher weniger auffälligen leader an der Posaune und den umso mehr auffälligen Barney Bigard (!) an der Klarinette und dem wieder großartigem Ben Webster am Tenor. Ein bisschen Instrumentalakrobatik und seeehr viel Gefühl!

J. Hamilton And The Duke‘s Men – Blue For Clarinets (1945)

Das kenne ich auch schon von den Blue Note Swingtets und auch hier sagt der Bandname ja schon, wo wir hier unterwegs sind. Der leader und Otto Hardwick an den Klarinetten, Harry Carney an der Bariton-Klarinette, teils spielen sie unisono, kontrastiert von der Posaune und Ray Nance an der aus diesem ebenfalls schleppenden Blues triumphierend herausstechenden Trompete. Auch hier habe ich den Eindruck, dass die Musiker die Gelegenheit der relativ kleinen Besetzung nutzen, um mal aus der Big Band-Disziplin auszubrechen. Großartige Kontraste zwischen Trompete und Bariton-Klarinette, die btw. fast so klingt wie ein Tenorsax, aber weicher und wärmer. Und da sind wir auch wieder bei den ungewöhnlichen Besetzungen: Ein Klarinettensatz! Wo gibt es das schon?

John Hardee Swingtet -Tired (1946)

Hier eine fast schon klassische Besetzung mit ts, git, p, b und dr. Ich kenne John Hardee ebenfalls von den Blue Notes Swingtets, aber nicht diesen track, den ich btw. auch nicht als Klangbeispiel im Netz finden kann. Und auch sonst weiß ich eigtenlich nichts über Hardee. JH war offenbar ein warm, voll und gefühlvoll spielender Tenorsaxofonist, ein charmanter Sänger auf seinem Instrument. Das klingt nach Soul und R&B und das Jahre, bevor diese Begriffe überhaupt erfunden wurden.

The Ike Quebec Swing Seven – Someone To Watch Over Me (Alternate Take) (1946)

Ike Quebec, einer der mir immer irgendwo zwischen Swing, R&B, Hard Bop und sogar mal Bossa Nova zu stehen schien. Vielleicht war er auch daher eine Art Berater für Alfred Lion bei Blue Note, der die nötigen Kontakte zu Musikern und die Vermittlungsfähigkeiten hatte. Someone … ist natürlich der Standard, auch das ist hier sehr schön entspannt und sängerisch interpretiert, mit vollem und warmen, ebenso gefühlvollem wie robustem Ton. Wenn man genau aufpasst, hört man kurz nach 2:00 einen der Musiker ein leises „Yeah …“ seufzen. Ja, genauso hört sich das an! Es wird einem ganz warm ums Herz. Btw. setzen bei diesem track Trompete, Posaune und Gitarre aus, genau genommen also nur The Ike Quebec Swing Four.

Und Ike Quebec war auch einer, der scheinbar reibungslos von der Swing-Ära in die Bop-Ära, eher schon in die Hard Bop-Ära rübermachte, ohne seinen Stil zu ändern. Die solide R&B-Grundlage war hier wie dort offenbar gut belastbar.

Das Video ist jedoch nicht der oben beschriebene Alternate Take, aber auch sehr schön!

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)