Re: Pink Floyd

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irrlicht
Nihil

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AmadeusDas Album ist sicherlich sehr gewollt und genau geplant. Als Architekt baut und plant Waters Songs wie andere ein Haus oder eine Brücke planen. Bei „Dark Side“ kam aber noch viel dazu. Eine Art Erforschung des Wahnsinns, „Brain Damage“. Es geht um Zwänge, z.B. den Zwang Geld ausgeben zu müssen. Oder um die verlorene Zeit. Deine Kritikpunkte „mangelndes Hinterfragen“ und „ewig wiedergekäute Meinungsmache“ passen hier aus meiner Sicht nicht. Das Intro mit dem Herzschlag und kaum hörbare Textschnipsel wie „I`ve been made for fucking years“ (das Herz), sorgen für eine geheimnisvolle, spannende Atmosphäre, die bis zum Ende bestehen bleibt. Das Wehklagen bei „The Great Gig in the Sky“ ist schauderhaft schön.

Vergleichbare Soundeffekte, Schreie und Geräusche probierten Pink Floyd auch schon bei anderen Werken aus, z.B. bei „Atom Heart Mother“ oder “Echoes“. Bei „Dark side“ wurden sie weiter verfeinert. Mag sein, dass diese Perfektion etwas glatt und abgeschliffen rüberkommt. Es wurden Textpassagen von Besuchern im Studio aufgenommen und beigemischt. Ich halte es für den Höhepunkt im Schaffen von Pink Floyd. Waters bringt auch bei seinen Soloalben sehr viele Effekte, aber die musikalische Umsetzung ist bei „Dark Side of the Moon“ viel beeindruckender als z.B. bei „Amused to Death.“, wo eben Gilmour, Mason und Wright fehlen.

Danke erstmal für Deine ausführliche Antwort (die zumindest dazu führen wird, dass ich mir das Album, nach Monaten, demnächst mal wieder anhöre).

Im Übrigen teile ich auch den Großteil Deiner Einschätzungen zu „The dark side of the moon“, das Du sehr schön beschrieben hast. Das große Experiment ist vielseitig gelungen, es spielt mit Stimmungen, mit laut und leise, schwarz und weiss, mit Klangcollagen und Stilrichtungen, kurz: Es hat Konzept. Meinetwegen auch mit ausreichend Tiefe (wenn die Thematik auch nun nicht allzu neu ist). Mir ist über die Jahre hinweg allerdings aufgefallen, dass mir gerade die Alben ans Herz wachsen, die auch als Songs funktionieren (wenn es denn welche gibt), die nicht überfrachtet klingen und an der eigenen Ambition erlahmen; ich finde „The dark side of the moon“ oftmals schlichtweg überfrachtet; Nun ist das hier vorliegende bekanntermaßen nicht das erste Konzeptwerk der Musikgeschichte und auch nicht das letzte, ich finde aber, dass das bei vielen Bands stimmiger gelöst wurde (VdGG, KC bspw.). Durch gnadenlose Brüche, durch Windschiefe, „The dark side of the moon“ klingt hingegen wie eine lange Trance, eingelegt und konserviert in Balsamsound- und Synthieflächen. Da ist, wo Du auf Vergleiche kommst, „Echoes“ oder auch „Atom heart mother“ weitaus zupackender, weil emotionaler, menschlicher, ja doch, lebhafter. Eine Frage der Organik also.

Und noch kurz zu den von Dir aufgegriffenen Textzeilen meinerseits: Ich finde es eben immer wieder erstaunlich, mit welcher Kritiklosigkeit bestimmte Werke abgefeiert werden. Begründungen? Selten. Einmal den Klassikerstatus erreicht, lässt sich quasi kein Wort mehr sagen, mehr noch: Der restliche Output scheint im Nichts zu versinken. Die Einschätzung kommt nicht von ungefähr, ich kenne kaum Hörer (gerade in meinem Alter), die nicht dieses Werk ganz groß fänden, darüber hinaus aber keinerlei Bezug zu Pink Floyd haben. Man muss es halt kennen, denn es kennt ja jeder und jeder findet es gut weil beste…you name it. Darum ging es mir: Um stumpfe Glorifizierung ohne jeglichen Standpunkt. Zumal bereits „Wish you were“, finde ich zumindest, dem Vorgänger in vielerlei Hinsicht, Komposition, Dramaturgie, Songwriting, ein gutes Stück voraus ist, von der Frühphase abgesehen. Aber ich mag schließlich auch „Kid A“ tausendmal lieber als den hochgelobten Vorgänger…

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Hold on Magnolia to that great highway moon