Antwort auf: Die wunderbare Welt der Oper

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Zürich, Opernhaus – 23.02.2019

Der Rosenkavalier
Oper von
Richard Strauss (1864-1949)
Komödie für Musik in drei Aufzügen von Hugo von Hofmannsthal

Musikalische Leitung Fabio Luisi
Inszenierung Sven-Eric Bechtolf
Bühnenbild Rolf Glittenberg
Kostüme Marianne Glittenberg
Lichtgestaltung Jürgen Hoffmann
Choreinstudierung Ernst Raffelsberger

Feldmarschallin Fürstin Werdenberg Krassimira Stoyanova
Der Baron Ochs auf Lerchenau Christof Fischesser
Octavian Anna Stéphany
Sophie Sabine Devieilhe
Herr von Faninal Martin Gantner
Jungfer Marianne Leitmetzerin Miranda Keys
Valzacchi Spencer Lang
Annina Irène Friedli
Polizeikommissar Alexander Kiechle
Der Haushofmeister bei der Feldmarschallin Leonardo Sanchez
Der Haushofmeister bei Faninal Thobela Ntshanyana
Ein Notar Stanislav Vorobyov
Ein Wirt Iain Milne
Ein Sänger Derrek Stark

Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Kinderchor der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich

Ich weiss eigentlich gar nicht, was ich dazu schreien soll … ein grossartiges Stück, nicht nur die Oper sondern auch die Vorlage von Hofmannsthal mit ihren mehreren Böden und Ebenen – eine Meditation über die Vergänglichkeit, ein vierstündiges Memento Mori, in dem buchstäblich die Zeit stillsteht. Die Inszenierung lief in der Saison 2003/2004 und wurde jetzt wieder aufgenommen. Ich bin kein grosser Fan von Bechtolf, aber hier ist für einmal eine rundum gelungene Sache entstanden, die auch der engen Verstrickung von Musik und Text mehr als gerecht wird. Die NZZ hat damals über die Premiere berichtet:
https://www.nzz.ch/article9PLGU-1.275858

Gestern fand die zweite von bloss vier Vorstellungen statt, die für die laufende Saison mit Krassimira Stoyanova angesetzt wurden. Der bald scheidende (ab 2021/22 übernimmt Gianandrea Noseda) GMD Fabio Luisi scheint die Tempi etwas gemächlicher zu nehmen als sein Vorgänger Franz Welser-Möst (er war es 2003/4 noch nicht, 2005 bis 2009 war er im Amt, dann folgte Daniele Gatti und ab 2012 dann Luisi), die Zeitangabe auf der Website (inkl. 2 überlanger Pausen) wurde von 4:15 Studen auf 4:30 korrigiert. Im ersten Akt schien es etwas zu dauern, bis alle zusammenfanden (die erste Aufführung fand vor über einer Woche – ohne die erkrankte Sabine Devieilhe – statt), doch Stoyanova und Stéphany als Feldmarschallin und deren Liebhaber Octavian waren schon zu Beginn ziemlich gut. Erstere ist für die Rolle an sich zu alt (und hat auch nicht, wie Cecilia Bartoli, die natürlich hier nicht in Frage käme, das Bühnentemperament, um dies wettzumachen), dafür war Stéphany einmal mehr sehr gut. Und als im zweiten Akt – nach einer Ansage, dass Devieilhe, die gestern ihr Rollendebut gab, um Nachsicht bitte wegen der noch nicht völlig auskurierten Grippe, und dass Fischesser, der Ochs, gerade mit Schläuchen in der Nase hinter der Bühne sässe … er hielt dann aber durch und der am Bühnenrand auftauchende Ersatzsänger mit Notenständer verschwand gleich wieder) – noch Sabine Devieilhe als Sophie dazukam, war längst alles im Fluss. Christoph Fischesser hatte im zweiten Akt da und dort wirklich ein wenig zu kämpfen, schlug sich aber alles in allem doch sehr gut. Für Devieilhe ist die naive Sophie, über die Octavian – die Hofmannsthal’sche Ironie – als erstbeste stolpert und zu der er sich wohl keineswegs besser verhalten wird als davor Ochs, vermutlich keine ideale Bühnenrolle, aber gesanglich war sie beeindruckend, intonationssicher, mit warmem Timbre (was bei Strauss ja verdammt viel ausmacht, die Musik ist doch immer ziemlich kalt, auch da wo sie unbeschreiblich schön wird – im „Rosenkavalier“ gibt es natürlich mit all den Wienerwalzergemütlichkeitsschunkeleien auch wirklich „warme“ Abschnitte, doch die sind ja Karikatur) – und obendrein mit einem beeindruckenden Pianissimo, das den Raum dennoch mühelos füllte.

Der dritte Akt, bei Bechtolf/Glitterberg im selben Bild wie der erste angesiedelt, das ein wenig abgewandelt wird – eine sehr gute Lösung, um die Wienereien nicht übermässig zu betonen sondern den Silberglanz des Stückes noch mehr in einem Guss zu formen … der dritte Akt, besonders der Schluss, nach Ochs‘ Abgang, war dann das pure Glück. Wahnsinnig schöne Musik, auch das Duett mit dem Naivchen und dem Nachwuchs-Zyniker – es passt ja so gesehen auch, dass der/das F/Anim/nal da nochmal stört.

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