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bullittDer Artikel prangert die Musikkultur an: „a culture of late nights and boundary-pushing behavior has been normalized“. Und auch hier wird eifrig gefordert berufliches und privates doch bitte zu trennen, Karrieren anhand von Leistungen und Abschlüssen (sic) gleichwertig und gerecht zu berücksichtigen usw.
Wer hat das denn gefordert und wo? In diesem Thread jedenfalls habe ich diese Forderungen nicht gelesen. (Und solltest Du etwa mich gemeint haben, würde ich mich missverstanden fühlen. Ich habe oben zu begründen versucht, warum man Sexismus im Kulturbetrieb auch dann als Problem betrachten sollte, wenn man nicht direkt betroffen ist.)
bullittMir rollen sich da die Fußnägel hoch. Zu Ende gedacht würde das ja nichts anderes bedeuten als Kunst zu reglementieren, zu akademisieren, zu professionalisieren und behördlich zu verwalten. Angehende Musiker gehen zur Pop Akademie, Absolventen bekommen Plattenverträge nach Noten, Bands werden gendergerecht zusammen gecastet und wehe es wird untereinander gevögelt.
Mir scheint, dass Du da gerade gegen Windmühlen anreitest, die Du für Riesen hältst. Die Diagnosen, die ich gelesen habe, laufen nicht auf die Forderung nach einer allmächtigen Kulturbehörde hinaus. Da ging es darum, Verantwortung für Fehlverhalten zu übernehmen und Einstellungen zu ändern, die solches Fehlverhalten begründen.
Polemik à la „wehe es wird untereinander gevögelt“ bringt die Diskussion nicht weiter. Niemand hat sich dagegen ausgesprochen, dass Leute miteinander ins Bett gehen. Es ging in der Diskussion um „gatekeeper“, Leute mit Einfluss, die ihre Rolle ungebührlich auszunutzen versuchen und unangenehm bis ekelhaft werden, wenn sie ihren Willen nicht kriegen – die junge Menschen, unter dem Schein, sie zu fördern, ausnutzen, weil sie glauben, dass ihnen zusteht, was sie haben wollen; um Leute, die glauben, ein Recht auf sexuelle Gefälligkeiten zu haben, wenn sie einem angehenden jungen Künstler irgendwie weiterhelfen. (Ob Ryan Adams ein Fall dieses Typs ist, kann ich auch nicht wirklich wissen, aber das Verhalten, das im NYT-Artikel beschrieben wird, passt jedenfalls gut zu dieser Interpretation.)
bullittMeine Meinung: So lange geltendes Recht nicht verletzt wird, ist alles erlaubt, Freiheit ein hohes Gut, Grenzüberschreitungen ausdrücklich erwünscht und mit Arschlöchern, Narzissten, moralischen Graubereichen und gefühlten Ungerechtigkeiten hat gefälligst jeder klar zu kommen ohne rumzujammern.
Es ist gut, dass Du den Standpunkt offenlegst, von dem aus Du den Fall betrachtest. Ich halte die Position aber, ebenso wie bullschuetz, für unhaltbar. Sie läuft meines Erachtens darauf hinaus, die Freiheit der Arschlöcher zu verteidigen, ihren Einfluss missbrauchen zu können und von öffentlicher Kritik verschont zu bleiben. „Freiheit“ existiert ja immer nur im Plural (es geht um die Frage: wessen Freiheiten wozu?). Ich für meinen Teil bin nicht prinzipiell dagegen, wenn die Freiheit einflussreicher Leute, Schaden anzurichten, eingeschränkt wird, sei es durch Gesetze oder durch Öffentlichkeit. Öffentliche Kritik an Fehlverhalten, einschließlich „naming and shaming“, gehört zur Selbstregulation von Gesellschaften dazu. Und ich glaube auch, dass es Dinge gibt, die, obwohl nicht illegal, dennoch von öffentlichem Interesse sind – dass es Geschichten gibt, die erzählt werden müssen, im Interesse der Betroffenen und letztlich auch im Interesse einer vielfältigen und hochwertigen Kunstproduktion. Gerade bei Leuten, die einen Ruf als Talentförderer haben, ist es legitim und wichtig, die Realität hinter dem Image zu beleuchten.
Oder wie Amy Phillips schreibt (Managing News Editor von Pitchfork):
Every time another headline pops up about how women are underrepresented on the charts or in music production or missing from festival lineups, we should think about the countless gatekeepers who, instead of helping women, used their positions for sexual gain at the expense of their targets. This casual abuse of power is the norm in music, a grey area unlikely to be dealt with by a male-dominated industry still just wading into #MeToo. But the Ryan Adams account is a necessary reminder that this is what many women deal with, at one point or another, in pursuit of their dreams. The more often these difficult stories are told, the less abusers can hide behind feigned ignorance and weak, deflective apologies.
(Die Bedingung dafür ist natürlich, dass diese Geschichten ehrlich und aufrichtig erzählt werden müssen.)
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To Hell with Poverty