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Es macht mich stutzig, dass die Größe von „Kid A“ in Fragen Ästhetik und Zeitlosigkeit hier noch so ungenügend geklärt und ausdefiniert zu sein scheint.
Wenn dieses Album nicht die zeitgemäße und sehr moderne Antwort auf z.B. „Dark side of the moon“ ist, was ist es dann?
Natürlich wurden gnadenlos Grenzen überschritten. Klar, dass man den künstlerischen Rundumschlag begangen hat. Aber nach alledem, was die menschlichen Hörgewohnheiten inzwischen so heimgesucht bis verseucht hat (ich höre lieber 50x hintereinander Kid A als einmal 5 Minuten Formatradio – aber das mag ein jeder halten wie er mag…) kann das doch nicht die Grenze an Erträglichkeit neu definiert haben…
Wollte jemand nochmal dasselbe Album, das er eh schon zuhause hat, nur mit nem netten neuen Cover vom Coldplay Designerteam?! KO Computer?
Wer sich auf Radiohead einläßt, der kauft nicht einfach eine CD. Er wird Teil einer gewissen Geisteshaltung, und das war von Beginn an der Fall; auch wenn es noch nicht vollständig ausformuliert war.
Wenn man sowohl die grobe Tendenz in sich verspürt, allzu wertend mit dem Werk der Gruppe umzugehen, als auch das Gesamte auseinanderklamüsern zu wollen, dann hat man, meines Erachtens, nicht ganz erfasst, worum es bei der ganzen Sache überhaupt geht.
Sicher geht es hier um Sterne, um Transparenz und Hilfestellung. Sicher darf neben dem „Götterkult“ auch noch ein bißchen subjektives Empfinden vorherrschen. Aber ich gebe nochmals zu bedenken: Diese Gruppe macht nicht „einfach irgendetwas“. Sie wirken vielleicht kryptisch, aber sind „cleverer“ und reflektierter als fast das gesamte Business zusammen.
Die Jungs wissen was sie da tun.
Und ich finde es geradezu grotesk, in der heutigen Zeit des Maximal-Crossovers und seines allzu stilvollen Scheiterns an allen Ecken und in jeglicher Form, ausgerechnet Radiohead in einer Disziplin schelten zu wollen, in der sie erfolgreich den Gegenbeweis antreten; sich das Gesäß abarbeiteten um Relevanz zu schaffen. Eine Relevanz, die dann hier von ein paar Gelegenheits-insidern mit den Füßen getreten wird.
Radiohead graben in den verrücktesten Untiefen der Vergangenheit um sinnvolle Brücken zu schlagen. Kein Stil ist ihnen heilig und sie suchen sich nur das Beste vom Besten in Sachen Anreiz. Und sie sind mit ihrer Kreativität völlig im Jetzt. Anstatt hier große Reden zu schwingen sollte man ihnen dafür dankbar sein, dass sie einem nicht auch noch das ewig Wiedergekäute vorsetzen. Aber das scheint einigen Fachleuten hier wohl weder zu genügen als auch in seiner Ganzheit aufzugehen… Ich finde das echt dezent blasphemisch, was ich so dazu lese. Als würden Blinde über Farben diskutieren…
Wir reden hier zwar über Alben, aber wir reden auch von einem Gesamtkunstwerk. Radiohead stellen Bezüge zur gesamten Musikgeschichte her, und ich finde es müßig darüber zu diskutieren, wenn man nur einen Teilaspekt davon kennt und vorallem verinnerlicht hat. Bei aller Liebe zu den gegebenen Diskussionen möchte ich das nur mal erwähnt haben…
Diese Band kann einem Alles geben, aber sie verlangt dafür auch ein wenig unvoreingenommene Offenheit und Vertrauen.
Aber es ist natürlich auch wichtig, was jeder Einzelne dazu denkt. Solche Diskusssionen können zuletzt ja nur weiterbringen. Jeden von uns…
…und jetzt ist noch nicht einmal ein Wort zu Amnesiac gesprochen…
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