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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"
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vorgarten
gypsy-tail-wind
…..allerdings hat disco ihren wert für viele in seinen anfängen als community-bildende underground-musik der schwulen, schwarzen und latin-minderheiten (womit dann natürlich weiße menschen geld gemacht haben, über bee gees, john travolta und gordio moroder in die letzten provinzwinkel der nicht nur westlichen welt, ohne das im einzelnen schlechtzureden). die total mainstreamisierung kann man da auch positiv bewerten: als soziales moment über klassen-, rassen- und geschlechterbarrieren hinweg, wie es das vorher noch nie über und durch musik gab. stilistisch fand ich an disco immer diesen epischen alltagstranszendenz-moment interessant, der wohl vor allem durch den beitrag des philly-souls kam (überschuss! wall of sounds, bläser & streicher unisono etc.). das alles gab es dann in der house music wieder, und das war wieder durch die gleichen minderheiten vorbereitet (tatsächlich intersektional: diesmal waren es schwule schwarze und schwule latinos). abgewürgt wurde beides (als mainstream) durch entsprechende maskulinistische bewegungen: punk und rock nach disco (new wave als sexuell ambivalenten grenzfall), hiphop nach house. bei disco war es ja eine art plattenverbrennung (disco demolition night, 12. 7. 1979), in der ein mob öffentlich das ende der ära durch tatsächliches vernichten von trägermaterial inszenierte. auch das ist natürlich eine community-bildende, sentimentale erzählung, die weit über bewertungen der studio-produktions-ästhetiken („kälte“) hinausgeht – da sind sehr viele affektive bindungen im spiel…
Der Soul war wohl die wichtigste Quelle (um nicht zu sagen der Ursprung) von Disco (mglw. mit einer Abzweigung in den Funk) und auch das Klubmodell als Zufluchtsort von Minderheiten gab es bereits in diesem Genre (vor allem in U.K Weekender, 60er Clubs etc) und ebendort wurden nicht nur Punter, sondern auch Dancer in den jeweiligen Aktivitäten bedient …. während der Soul auch stilistisch einige Vielfalt offerierte, war Disco in der Struktur auf eine einfache Formel reduziert (welche in so manchen bombastischen Produktionen nichtdestotrotz grosses Kino bot) …. am Beispiel von Candi Staton lässt sich die vorgenannte Entwicklung gut nachvollziehen aka wie eine grossartige Southern (und Deep) Soul Sängerin vom Ursprungsgenre (in den späten 60ern/frühen 70ern) kommend zum „Young Hearts Run Free“ (sic) Disco Star wurde …. P.S Ich habe dies in den 70ern (in Österreich und Frankreich) weniger als Minderheitenmusik erlebt, sondern in der „Diskothek“ wurde ebensolche Musik auf die zahlreichen Dancer geschallt, was je nach Qualität des DJ`s zu einem Erlebnisz (vor allem in den qualitativen Anfängen der Mixes) oder auch einer Zumutung entwickeln konnte …. und die Minderheitenmusik dieser Zeit war …. der Jazz ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)