Antwort auf: Stan Getz

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Stan Getz im Studio in Schweden 1958 – mit Benny Bailey (t), Ake Persson (tb), Erik Norström (ts), Lars Gullin (bari), Jan Johansson (p), Gunnar Johnson (b) und William Schiöppfe (d) bei den ersten Sessions im August, ein paar Wochen später ersetzte Bengt Hallberg (p) auf der Mehrheit der Stücke Johansson am Klavier, der aber auch immer noch dabei war, zudem stiess Bjarne Nerem (ts) dazu.

Die Arrangements der ersten Session (drei Stücke) stammen von Johannson (Honeysuckle Rose und They Can’t That That Away from Me) und Norström (Topsy), bei der zweiten (zwei Tage) war Hallberg der Hauptlieferant (Cabin in the Sky, Like Someone in Love, Speak Low, Bengt0s Blues), aber Johansson, Gullin und Norström steuerten auch je ein Arrangement bei (Celebration (Janne’s Blues), Stockholm Street, Gold Rush). In den USA erschien das Material auf der Verve-Scheibe „Imported from Europe“, späte brachte Dragon es auf einer Doppel-LP und danach auf einer angereicherten Doppel-CD (ein Mitschnitt von 1959 mit Johannson, Georg Riedl, Joe Harris; zwei von 1960 mit Johansson, Ray Brown und Ed Thigpen bzw. Bosse Söderman, Torbjörn Hultcrantz und Sune Spangberg) komplett heraus – das höre ich denn auch, also Stan Getz in Sweden 1958–60 (Dragon, 2 CD, 1995). Die CD enthält neben den späteren Live-Aufnahmen als Füller (das letzte Viertel des Pakets) auch diverse Alternate Takes, die ausser „Gold Rush“, wo man den ersten Take zum Master machte, alle vor den Master Takes entstanden sind: Stockholm Street (Tk 1), Cabin in the Sky (Rehearsal und Tk 1), Celebrating (Tk 1), Speak Low (Tk 2 & Tk 5), Like Someone in Love (Tk 1 & Tk 2), Gold Rush (Tk 2). Die masters waren in der Regel (Tk 2), ausser bei den First Takes ohne weitere Anläufe (They Can’t Take That Away from Me, Topsy von der ersten Session, der jedoch ein erster Tag ohne fertige Takes, dafür mit Schwedischem Hardcore-Porno und Johnnie Walker vorausging) und eben „Gold Rush“, wo man den ersten Take behielt. Von „Honeysuckle Rose“ geriet der erste Take zu lange, ist aber verloren (Master ist Tk 2), bei „Speak Low“ ist Tk 6 der Master, bei „Like Someone in Love“ Tk 3.

Das ganze ist ein Mix aus typischem Westcoast Basie-meets-Bop (Topsy) und europäischen Spätnachwehen von „Birth of the Cool“, für die eher Hallberg zuständig – der obendrein der viel interessantere Pianist ist – aber leider ging dann 1960 ja Johansson mit auf die Tour, bei der Getz eben die Rhythmiker feuerte (ich glaube Daniel Jordan (b) und William Schiöpffe (d), der auf dem allerersten Stück der Dragon-Doppel-CD, „Honeysuckle Rose“, mit seinem Schepper-Swing ein wenig nervt) und stattdessen mit Ray Brown und Ed Thigpen fortfuhr, zwei Dritteln des Oscar Peterson Trios, das neben Getz‘ Quartett und dem Miles Davis Quintett auf der Tour-Package von Norman Granz unterwegs war. Davon gibt es hier ja auch noch Kostproben („Just You, Just Me“, „I Remember Clifford“, Stockholm Concert Hall, 22. März 1960) …

Getz hat da und dort seinen Cry, spielt aber in der Regel etwas zurückhaltender als anderswo, nicht unbedingt weniger souverän, aber vielleicht eine Spur weniger engagiert, als wenn er als einziger Bläser im Rampenlicht steht. Bailey spielt auf „Honeysuckle Rose“ ein sehr feines Solo und ist, wie auch Gullin, Persson, Hallberg und Johansson, öfter mal zu hören … zu Lieblingsaufnahmen, man liest das längst zwischen den Zeilen, werden sie nicht, befürchte ich. Ohne Getz (und Bailey) wäre das alles ziemlich unbemerkenswerter Epigonenjazz, wie es ihn damals in Europa überall gab.

Alles in allem guter Stoff, aber Bailey, Gullin und Hallberg hin oder her, Getz at Large ist mir lieber, weil Getz dort einfach ausserordentlich gut aufgelegt ist – er hat dort seinen „cry“ immer wieder, z.B. auf „When the Sun Comes Out“, das Repertoire ist auch ordentlich abwechslungsreich: er spielt z.B. Howard Lands „Land’s End“, zudem Originals von Pettiford, Cohn und Erik Norstrom, eine tolle Version von „Night and Day“ zum Auftakt, schöne Versionen von „The Folks Who Live on the Hill“, „Born to Be Blue“, „The Thrill Is Gone“ … aber Johanssons Perle-Piano ist mir etwas zu leichte Kost (und Daniel Jordan/William Schiöpffe, die dort dabei sind, das war noch bevor die Tour begann, in deren Verlauf Getz sie rausstellte, sind auch nicht wahnsinnig inspirierend).

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