Antwort auf: Ich höre gerade … Soul!

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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soulpopeDie Genesis der Soulalben magst Du richtig sehen …. es ging ja vornehmlich um „lucky punches“ aka Hits und so ein solcher gelang baute man dann ein Album mit Füllmaterial (…) drum herum …. darüberhinaus waren ja die lokalen Radiosender auf das Abspielen von 45ern konzentriert (…) und die Jukeboxes hierauf konzipiert …. Aretha hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 6 mehr oder minder erfolglose 6 Jahre mit Columbia – welche evidenterweise Nichts mit ihr anzufangen wussten – auf dem Buckel und so kam der Wechsel zu Atlantic nicht überraschend …. Otis Redding hatte ja das Wort für die männliche Soulgilde übernommen und so war es auch an der Zeit einen Königin zu küren …. der eigentliche Knaller war die Entscheidung Aretha nach Muscle Shoals in die FAME Studios zu verfrachten und sie dort dem künstlerischen Diktat von Rick Hall und der aus weissen Landeiern bestehen Kapelle zu überlassen ….
Der erste Tag ging super – Dan Penn und Chips Moman hatten „Do Right Woman – Do Right Man“ mit ins Studio gebracht und am Ende des Arbeitstages hatte man die epische Version von „I Never Loved A Man“ und eine halberte Aufnahme von „Do Right Woman“ im Kasten …. dann kam die grosse Stunde des Franklin Beischläfers Ted White, welcher rebellierte (gab es nicht genug Alkohol am Land ?) und schlussendlich Aretha zur Landflucht aus Muscle Shoals motivierte ….
Atlantic Mastermind Jerry Wexler hatte also 1,5 Songs und beschloss einfach einseitige Acetate mit „I Never Loved A Man“ an die Radiosender zu schicken …. der Song schlug ein wie eine Rakete und die kommerzielle Nachfrage war enorm – dies war Druck genug auf das erfolgsgeile Franklin Lager und so gab Aretha (bzw ihr Umfeld) schließlich nach, das Album doch mit den Muscle Shoals Musikern – allerdings in New York – einzuspielen ….
Es entstand ein epochales Soulalbum und es sollte – trotz einiger trefflicher Folgealben – ein (der ?) Meilenstein in Aretha Franklins künstlerischen Schaffen werden. Der Beweis daß auch Soulalben Verkaufsrenner sein können belebte dieses Format ungemein und öffnete in Folge die Tür für Konzeptalben (für den weiblichen Soulpart von Millie Jackson in den 70ern auf den Höhepunkt getrieben – übrigens aufgenommen in …. Muscle Shoals ….).

Thx @soulpope für die Erläuterung!

Ja, Pop – nicht nur black music – war lange Zeit ein Singles-Geschäft. Aber selbst die frühen Elvis-Alben der 50er sind durchgehend gut, auch wenn diese nur Ansammlungen von einzelnen tracks waren, ohne dass ein größeres Konzept dahinter steckte. Was wurde davon im Radio und in den Jukeboxes gespielt? Wahrscheinlich auch nur die Singles.

Wahrscheinlich sind das zufällige Glücksfälle und auch I Never Loved liest sich nach Deiner Schilderung eher wie ein Unfall, der so eigentlich nicht beabsichtigt war. Zufall, Glück, das Aufeinandertreffen großer Talente unter günstigen Umständen?

Aretha stammt aus Detroit, nicht wahr. Muscle Shoals wiederum ist im tiefen Süden. Eine Schwarze Frau aus einer Industriestadt im Norden trifft im ländlichen Süden auf Weiße Männer, zusammengebracht von dem New Yorker Juden Jerry Wexler. Was für eine Konstellation! Ich erwähne das auch, weil sowohl James Brown als auch sein Biograf RJ Smith immer wieder betonen, was für eine kulturelle und soziale Bedeutung es hatte, nicht nur entweder schwarz oder weiß zu sein, sondern auch entweder aus dem Norden oder dem Süden zu stammen.

Noch mal zu I Never Loved A Man. Ich deutete es an: Wenn man will, kann man durchaus erkennen, dass auch dieses Album eigentlich kein übergeordnetes Konzept hat. Aber es ist eine Sammlung verschiedener Stücke von R&B, Pop, Gospel usw., die alle mindestens gut sind und eine schöne Mischung ergeben. Egal, was Aretha singt, es klingt großartig und wenn dann noch eine tolle Band und ein guter Produzent dazukommen hat man damit ein Meisterwerk. Habe ich spät bemerkt, aber besser spät als nie.

Millie Jackson habe ich noch gar nicht auf meiner musikalischen Landkarte.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)