Antwort auf: The Sound of German HipHop

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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harry-ragIch sehe, wie er auf die Vorwürfe zu Prezidents Text kommen kann, halte sie aber für sehr zugespitzt weitergesponnen, um zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen. Die Vorwürfe gegenüber Koljah halte ich für kompletten Kokolores, ich habe aber auch keinerlei Achtung vor Religion. Deren Hoheitssymbole gehen mir deshalb auch gepflegt am Arsch vorbei. Wenn also jemand sagt: „Das Kopftuch/das Kreuz ist ein Zeichen der Unterdrückung“ kann ich das unterschreiben. Muss dafür aber nicht in den Krieg ziehen. Absztrakkt erscheint mir wirklich wie ein Nazi-Bauer, er ist mir aber eigentlich egal, weil mich seine Musik nicht kickt. Warum soll ich mich also mit seinen Aussagen beschäftigen? Die Musik ist scheiße – das ist wirklich das Schlimmste, was passieren kann.

Ich glaube, mein Problem ist einfach, dass gesellschaftlich momentan zu klar definierte Scheinfronten entstehen. Das ist einerseits normal, wenn ein rassistischer Ruck durch die Welt geht – und vor allem spürbar wird und einem täglich lichterloh entgegen flammt -, andererseits aber auch extrem schwierig, weil es Menschen dadurch selbst gewählt, teils ohne Sinn und Verstand, in ein Lager katapultiert. Anders gesagt: Religionskritik sollte ein wesentliche Bestandteil einer aufgeklärten Gesellschaft sein und ob Kopftücher nun ein Zeichen von „Fortschritt“ sind, dieser Haltung bleibt sowohl Skinny als auch Sternburg hier doch ein wenig schuldig (es geht ja nicht darum, ob die Menschen „fortschrittlich“ sind). Genauso wäre „so fortschrittlich wie Kreuze in Bayerns Behörden“ weder richtig noch falsch. Ich glaube, man kann fest davon ausgehen, dass Leute wie Koljah und Prezi mit nationalem Gedankengut auf Kriegsfuß stehen – das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass man jeden Teil der Gegenströmung prinzipiell gut finden muss. Dagegen verwehrt sich Prezi mit den letzten beiden Tracks m.E. enorm nachvollziehbar – da klebt die HipHop Journaille einerseits förmlich am Gesäß von „Berliner Clanchefs“, Gewalt in Texten ist „Teil der Kultur“ – außer wenn es sich gegen Schwule, Ausländer oder Frauen richtet. Das ist letztlich eben eine doch sehr imagebehaftete Denkweise, die Koljah mit seiner Kommentierung auf den neuen Prezi Text ja auch entsprechend aufs Korn nimmt. Denn es stimmt schon: Wenn man Toleranz ins Unermessliche verlängert, kommt dabei hin und wieder auch völlige Gleichgültigkeit heraus. Reine Worthülsen, reines Distinktionsgebaren, reine Selbstvermarkung für den „guten Zweck“, genau das, was eben „Gutmenschentum“ im negativen beschreibt. Ganz heikles Thema, weil man leider Gottes nie weiß, welche Claquere man durch diese Differenzierung für sich gewinnt, aber auch notwendig, wenn man sich nicht nur reiner Selbstbeweihräucherung hingeben will.

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Hold on Magnolia to that great highway moon