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Die Reihe der Frank-Alben beginnt 1983 mit SWORDFISHTROMBONES, das kurz nach dem geschmäcklerischen Soundtrack zu Francis Ford Coppolas Musical-Film ONE FROM THE HEART komponiert wurde. Es folgte eine mittlere Gruppe von neunzehn Songs, nämlich RAIN DOGS (die in Sound und Instrumentierung schlichter gehalten ist als ihr Vorgänger). Am Ende der Reihe steht FRANKS WILD YEARS von 1987. Einige allgemeine Charakteristika: In der Frank-Trilogie bedient sich Waits quer durch alle möglichen Stile. Jazz, Rock, Country, Tango, Tarantella, Rumba, Rock’n’Roll, Blues, deutsches Kunstlied, Zwölftonmusik, Karnevalsmusik etc. Das Tempo ist eher rasch als mäßig. Die Beschreibungen enormer Leidenschaften werden von subtilen, vernichtenden Geschichten wie „Soldiers Things“ abgelöst. Er entdeckt das Megaphon als Krächzhilfe und beginnt antiquierte Maschinerie aus den Asservaten der ersten amerikanischen Avantgardisten zu nutzen. Waits zum Teil verfremdeter Gesang entfaltet sich weiter ins Extreme. Er singt, brüllt, seufzt und flüstert. Himmel und Hölle wohnen in dem Repertoire dieses Musikers von jetzt ab dicht beieinander.
Waits hat bekanntlich nie einen Hehl daraus gemacht, wie wichtig Beefheart für seine künstlerische Entwicklung war. Unter den Alben, die ihn beeinflussten nennt er an erster Stelle „Trout Mask Replica“, dann erst „In The Wee Small Hours“ von Sinatra und „Exile On Main Street“ von den Stones. Trotz solcher öffentlicher Referenz, die Waits ihm erwies, muss in Beefheart und seinen Fans in den 80er Jahren als SWORDFISHTROMBONES und RAIN DOGS rauskamen, ein Groll gewachsen sein, der aus dem Narzissmus der kleinsten Differenz erwuchs. Waits hatte es gewagt, auf seinen Alben Beefhearts dissonanten Stil zu integrieren, etwas was Beefheart selbst Jahre zuvor mit Howlin‘ Wolfs und John Coltranes Musik praktiziert hatte. Aber nie zugab. Tom Waits war er nicht ein billiger Nachahmer? Einer, der später gestartet, nun erfolgreicher war und dem Anreger teilweise die Schau stahl? Einige Kritiker stellten Waits von nun an unter Generalverdacht ohne die Vorbehalte zu präzisieren: er imitiere „Beefhearts Kompositionen auf einem eher kunstgewerblichen Level“, schrieb beispielsweise Diedrich Diederichsen in seiner Plattenkritik zu Scarlett Johanssons Waits-Cover-Album.
Es fehlte nur noch der Verdacht des Plagiats.
Richtig ist: Waits‘ Alben sind seit den 80er Jahren mit Beefheart merkwürdig verknüpft. Wie nicht wenige Kritiker bemerkt haben, hat Waits nicht nur die klanglichen Innovationen Beefhearts in seiner Musik benutzt, sondern auch viele Einzelzüge darin aufgenommen. Aber so verschieden ist die Atmosphäre, so viel größer seine emotionale Reichweite und so drastisch vergrößert die Bandbreite seiner musikalischen Einflüsse, dass man dem Resultat sein Geheimnis kaum ansieht. 1983 muss Waits sich sicher genug gefühlt haben, von Beefheart zu lernen, ohne seine Identität aufzugeben. Dass beim Hören von SWORDFISHTROMBONES jemand an Beefhearts Stil erinnert würde, halte ich darum für höchst unwahrscheinlich. Man wird es ganz im Gegenteil, als ein besonders reines Beispiel Waits’scher Musik ansprechen.
1. Underground * * * * *
2. Shore Leave * * * * *
3. Dave The Butcher * * * *
4. Johnsburg, Illinois * * * * *
5. 16 Shells From A 30.6 * * * * *
6. Town With No Cheer * * * * *
7. In The Neighborhood * * * * *
8. Just Another Sucker On The Vine * * * *
9. Frank’s Wild Years * * * * *
10. Swordfishtrombones * * * * *
11. Down, Down, Down * * * * *
12. Soldier’s Things * * * * *
13. Gin Soaked Boy * * * * 1/2
14. Trouble Braids * * * * 1/2
15. Rainbirds * * * * *
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zuletzt geändert von lauster--