Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

#10467671  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

Registriert seit: 01.01.1970

Beiträge: 0

gypsy-tail-windWas es möglicherweise zu bedenken gilt: Rattle scheint in Berlin bis zum Schluss nie so richtig angekommen zu sein – beim LSO aber sofort, noch bevor er ganz aus Berlin weg ist … ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten und Rattle interessiert mich auch zu wenig, aber das Konzert fand ich schon eindrücklich. Das lag an der Musik, am Zusammenwirken von Rattle und dem sehr lebendigen Orchester (perfekter Klang ist da jedenfalls nicht das Hauptziel, das machte ja schon die Sitzordnung klar), weniger an Rattles Auftreten, das mir recht uncharismatisch schien. Wenn man den Stimmen, die ich aufgeschnappt habe, glauben darf, ist Rattle jedenfalls dabei, ein glückliches neues Kapitel seiner Laufbahn aufzuschlagen.

Das mag alles so sein. Ob Rattle in Berlin in oder nach mehr als einem Dezennium Schwierigkeiten in Berlin gehabt hat und dann jetzt beim London Symphony sich fröhlicher fühlt, ist doch völlig egal und allein seine und deren Sache. Meinetwegen kann Rattle auch charismatisch auftreten, meinetwegen auch nicht, das ist doch nicht wichtig. Jeder hat seine Eigenarten, Ticks und was weiß ich. Ich finde also, dass es da bzgl. Rattles Freundschaft mit Berlin gar nichts zu bedenken gilt. Pardon. Aber Du wolltest sagen, dass Rattle jetzt, nach zig Jahren in Berlin, endlich so spielen kann, wie er möchte? Daran glaube ich nicht, wenn man so lange an etwas festhält. Und trotzdem, das sagte ich ja schon oben, kann es natürlich gut sein, dass er nach zehn Jahren sich besser umtut. So recht mag ich daran aber nicht glauben. Obwohl ich gerne das Konzert gehört hätte.

Du sagst gar nichts zu Deiner Einschätzung von Wildhagens Zeilen. Nun gut. Ich habe vorhin noch einmal Gielens Interpretation – ich hätte auch eine andere nehmen können, aber man hat Launen – der Neunten, dritter und vierter Satz gehört. Das ist, im Rondo, so viel beanspruchender als Rattle 2007, und im Adagio ist auch die schlichte Anweisung zu hören, langsam, noch zurückhaltend. Einfach ist sie nicht. Vor allem aber liegt da nicht der Klebeklang der Berliner bei Rattle drüber – den ich bei ihnen sonst nie vermute – und drin. Die ganzen bedenkenswerten Abschwächungen und Steigerungen, von Rattle einfach so mitgenommen, ein zurückhaltendes Ende, nicht einmal das. Er geht flott durch die Geschichte und insofern eben stimmig für ihn und in sich selbst. Aber ein „Verstehen“ ist das für mich nicht, um das Wort aus dem Nachbarthread zur russischen Klavierschule aufzunehmen. Bei Gielen beginnt das Verstummen des letzten Satzes lange zuvor – und nicht nur in begleitenden Wörtern, sondern in der Musik selbst, in sehr viel feineren Streicherschlenkern, die Rattle ohne Anweisung ins Burschikose durchgehen zu lassen scheint. Und auch das Anheben der Streicher im letzten Satz bei Gielen ist äußerste Force, die nicht weiterweiß, immer nur Schritt für Schritt, bei Rattle 2007 hört sich das an wie: Jetzt kommt etwas Schönes. Gut, wenn es in der Tonhalle Maag anders war.

--