Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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gypsy-tail-wind

gypsy-tail-windZürich, Tonhalle-Maag – 27.04.2018 London Symphony Orchestra Simon Rattle Gustav Mahler: Symphonie Nr. 9

Hier ist nun die Kritik von Christian Wildhagen, die morgen in die Printausgabe kommen dürfte: https://www.nzz.ch/feuilleton/simon-rattle-in-zuerich-mahlers-neunte-neu-gehoert-ld.1381709 Neunzig Minuten hat das natürlich nicht gedauert bzw. nur, wenn man den langen Applaus und die längere Pause nach dem zweiten Satz mitrechnet. Davon abgesehen kann ich das alles nachvollziehen bzw. teilen.

Danke für den Link – ich habe ihn bedenklich gelesen. Ich habe von Rattle und Mahler IX den Mitschnitt von Aufführungen im Oktober 2007.

Es ist nicht das Schlechteste, was sonst, es ist eine stimmige Lesart, aber – ich höre sie gerade wieder – doch sehr wie ein emotionales Uhrwerk. So ging es mir schon vor Jahren mit seiner Mahler X (Cooke), die im Artikel erwähnt wird, das ist doch etwas lieb. Wildhagen ist sehr lau. Als ob die Zehnte nur eine ausformulierte Ehetragödie sei. Ja, es gibt Notizen dazu in den überlieferten Partiturskizzen. Na und? Braucht es immer diese schlichten Nasenstupse?

Wildhagen:

Rattle setzt dem – namentlich in den Mittelsätzen – einen Tonfall der Wut, des Aufbegehrens, der bitteren Ironie, ja des Lebensekels entgegen. Besonders im stellenweise drastisch überzeichneten Ländler-Scherzo kommt dabei eine Stärke dieses Dirigenten zum Tragen: das pointierte Gestalten in kleinteiligen Einheiten, durchaus frei und charakteristisch im Ausdruck, aber immer kontrolliert und gestützt durch einen subtil vorwärtsdrängenden Puls. So ist auch die Rondo-Burleske hier kein apokalyptisches Tohuwabohu, eher ein Pandämonium aus Fratzen und Zerrbildern einer ehedem schönen Welt, die schon im unerbittlich schreitenden Kopfsatz zu Grabe getragen wurde.

Bittere Ironie höre ich da nirgends – ich spreche ja nur von Rattle 2007, das könnte alles ganz anders sein in der Tonhalle Maag! – und wird wohl anders gewesen sein, vielleicht. Ist, zu Wildhagen, aber flapsig geschrieben, warum sollte die Apokalypse kein Pandämonium sein, und Fratzen kein Tohuwahohu veranstalten können?

Ich habe das Rondo (dass ich im Programmheft zur Aufführung in Zürich sehr gut beschrieben fand) gestern mit Rosbaud wiedergehört und da waren auf einmal sofort die „Vorbereitungen“ zum Schlusssatz deutlich. Bei Rattle, 2007, ist davon nichts zu hören.

Alles in allem: Rattle macht für mich nach wie vor nichts besser bei Mahler. Und Wildhagen weiß nicht, dass ein Weitermachen (Symphonie X) nicht unbedingt bedeutet, dass schon zuvor ein Abschied genommen wurde, nicht nur in IX. Immer wieder. Er will halt auf den letzten Abschied hinaus. Und Resignation und Schweigen dürfen nicht sein, wie hört sich das denn an.

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