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Ich weiß, dass ich mich jetzt unbeliebt mache, aber ich finde die neue Platte streckenweise grauenhaft.
Die Musik hat mich beim ersten Hören noch positiv überrascht, aber die Geschichte und die Texte sind kaum auszuhalten.
„He was fighting for freedom of silence, of anonymity“ – das ist so blöd, vor allem, weil man nicht kapieren kann, wieso Opa das Ganze so aufregt. Nicht das Jed im Gefängnis sitzt ist schlimm, sondern nur, dass die Leute zu „Grandpa’s Interview“ antanzen (gibt’s eigentlich überhaupt einen blöderen Songtitel?). Soll er halt in Bluetown oder Pinkville auf Urlaub gehen. Mir doch egal. Neil aber scheinbar nicht.
Warum spioniert denn überall das FBI herum, etwa weil Sun und Earth nach Alaska wollen? Die Sache mit der erschossenen Katze, weil diese dem Cop ums Bein streicht, ist so lächerlich, dass Neil’s Amerika-Kritik vollkommen wirkungslos wird.
Gut, „Bandit“ und auch der Grandma-Song (erster Entwurf für den Titel war wahrscheinlich „Grandma’s Cooking“) sind ganz nett geraten. Aber warum muss das Album denn so lange sein? Es quält sich so vor sich hin, mäandernd, auf einen Schlag kann man es kaum bewältigen. Schlimmer geht’s nicht? Doch – die beigelegte DVD. Zum Glück gab’s beim Müller beides zusammen für 13.99€ – da ist der Verlust nicht so groß. Young sitzt da für geschlagene 105 Minuten und brabbelt vor sich hin, trinkt Guiness (natürlich im Andenken an Grandpa) und es ist ein Wunder, dass er nicht selbst bei seinem Gegniedel einschläft und nach 80 Minuten den Weg zur Orgel findet.
Die große Frage ist, durch welche Gegenden Neil denn da gefahren ist, als er alle paar hundert Meter angehalten und diesen Schmarrn zusammengeschrieben hat (siehe Booklet oder Fricke-Interview). Das muss schon trübe gewesen sein. Vielleicht in der Endzeit-Stimmung des neuen Dylan-Films „Masked and Anonymous“? Man hört ja Grauenhaftes.
Wenn alte Männer über junge Frauen singen, kann das großartig sein, wenn aber eine Altherrenriege ihre Jugendträume auf eine 19-jährige Neo-Hippie-Maid namens Sun projizieren, wie Neil auf DVD freimütig zugibt, und sich hinter dem ganzen Generationen-Ding doch nur verkappte Gier verbirgt, dann ist das eher peinlich.
Einziger Trost: Das alles ist kein ganz so großer Mist wie „Are You Passionate?“.
Trotzdem, lieber Neil, ich werde Dir den Generationenvertrag nicht aufkündigen, dazu liegt mir zu viel an „Harvest“, „Rust Never Sleeps“, „Tonight’s the Night“, „Sleeps With Angels“ und all den anderen Großtaten. Auch an „Silver and Gold“.
„Comes a time when you’re driftin‘
comes a time when you settle down“.
Nur bitte nicht in Greendale. Dort gibt’s nämlich keinen Neil Young-Bonus.
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