Antwort auf: The Sound of German HipHop

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downstroke

Registriert seit: 19.04.2018

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motoerwolfSo, so. Wo bleibt dann dein Rant gegen GNTM? Gegen unfaire Bezahlung von Frauen durch die Arbeitgeber, also ganz reale Diskriminierung?

Das ist zwar gerade nicht Thema hier, aber um Dir kurz zu antworten: Ich bin unbedingt der Meinung, dass Frauen gegenüber Männern in (zu) vielen Berufen unfair bezahlt werden. Ich war entsetzt über das, was im Zuge von #MeToo ans Licht gekommen ist. Ich war so naiv, zu glauben, wie Männer hätten in den letzten 20-30 Jahren entscheidend dazu gelernt. In (zu) vielen Bereichen ist das offensichtlich nicht der Fall. Und die ganzen überkommenen Rollenbilder und nach wie vor existierende Benachteiligung von Frauen sind ganz sicher nicht das Ergebnis von Gangster-Rap. Aber das diese Künstler angetreten sind, um daran etwas zu ändern, wird doch wohl auch niemand ernsthaft behaupten wollen, oder?

Zu „GNTM“ ist meine Meinung, dass solche Formate durchaus Wirkung gezeigt haben: Nicht wenige Teenie-Töchter von Freunden stehen morgens um 5:30 auf, um diverse „Looks“ anzuprobieren und in die WhatsApp-Gruppe zu schicken. Wenn die „Peer“ zustimmt, geht’s zur Schule. Sonst wird so lange umgestylt, bis das ok der anderen kommt. Ich glaube schon, dass so ein Druck, dem Mädchen und junge Frauen unterliegen, nicht aus sich selbst heraus entsteht sondern von außen beeinflusst wird.

Konsequenterweise sollte man – wenn man so etwas nicht grundsätzlich ausschließt – dann aber auch mal die Frage stellen dürfen, ob die im deutschen Gangsta-Rap gepflegte Sprache nicht auch einen Einfluss auf das Miteinander junger Menschen hat. Zumal, wenn dies Musik kein Nischendasein mehr fristet, sondern komplett im Mainstream angekommen ist. Und Mainstream meine ich hier rein von der Verbreitung her.

irrlichtDas wird jetzt ein langer und persönlicher Beitrag.

Vielen Dank dafür! Fand ich sehr interessant, habe einige Denkanstöße gefunden und glaube, manches (bzw. zumindest Deinen Standpunkt) jetzt besser zu verstehen. Die Aspekte, die bei mir auf Unverständnis stoßen, konnte Dein Plädoyer allerdings auch nicht so beleuchten, dass sich das geändert hätte.

irrlichtUnheimlich viel Diskriminierung, Gewaltverherrlichung und Alltagsrassismus gleichermaßen auch im Pop, im Schlager, im Rock, im Metal ohnehin. Da fällt es aber meist nicht ganz so dominant auf, weil die Wortwahl einen Tacken anders gepolt ist. An die Stelle von Frauen mit fetten Titten, die als geile Fickstuten auf dem Porsche stilisiert werden, treten schmierige Fantasien von Frauen mit Besen, die gesichtslos ins zahme Geschlechterbild früherer Jahrzehnte eingebettet sind.

Aber wo ist dann das Problem, zu sagen: Wir wollen solche Frauenbilder generell nicht mehr propagiert haben, weder im Pop, Schlager, Rock, Metal – noch im HipHop?

Man darf Frauen durchaus zutrauen, dass sie unterscheiden können, was (wirklich) sexistisch ist und was nicht. Man sollte zum Schlagstock ausholen, wenn einem Mädel wirklich Gefahr droht, man tut der Thematik aber keinen Gefallen, wenn man großväterlich Frauen direkt das Denken abnehmen will und sie vor den bösen Worten zu schützen gesucht. Ist vielleicht auch ein Generationenthema oder halt das von choosefruit, der mit 15 schon 60 war. Ich bin jedenfalls manchmal erstaunt, zu was für hüftsteifen Nettchen Frauen in Kommentaren stilisiert werden, da wird mir ganz anders – so lieb und gewählt im Ausdruck, da Sterben beim Hören von Gangsta Rap vermutlich direkt die Ohren ab. „Fotze“ sagt da nie eine, sind ja Akademikermädchen. Ziemlich groteske, weil eskapistische Weltsicht.

Sorry, diese Faszination für sexualisierte, entwürdigende Sprache geht mir einfach ab. Für mein Empfinden haben wir was das Thema Frauenrechte/Frauenbild/Rollenverständnis gegenüber vor 20 Jahren gerade einen ziemlichen Backlash – da kommt mir die Forderung, jede Frauengeneration möge doch bitte die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, wie sie sich von wem beschimpfen lässt, reichlich merkwürdig vor. Als Fortschritt empfinde ich das jedenfalls nicht.

Klar, jemand, der so selbstbewusst und intellektuell ist wie Du, wird sich von einem halbstarken Möchtegern-Rapper kaum an die Karre pinkeln lassen, der an der Schule, an der Haltestelle oder im Club seinen Idolen verbal nacheifert. Aber wie gehen pubertierende Mädchen damit um, was ihnen da als „isso“ verkauft wird? Können die so reflektieren und sich distanzieren wie Du das kannst?

Vielleicht bin ich da aber einfach aufgrund meines Jobs zu sensibel… Ich arbeite in der Jugendhilfe und die Frage, wie wir mit sexualierter Gewalt (zu der eben auch schon der Gebrauch sexualisierter Sprache zählen kann) umgehen, ist da nicht ganz nebensächlich. Laufen bei uns Jungs übers Gelände und hören dabei lautstark über ihre Bluetooth-Boxen Songs unserer hier diskutierten Künstler, bekommen sie (nicht nur von mir) eine Ansage, natürlich nicht ohne Begründung und gerne auch mit Gespräch darüber*. Und die ist in dem Fall die, dass wie in unseren Mädchengruppe nicht wenige Mädchen haben, die genau das am eigenen Leib erlebt haben, womit die Kollegen Künstler lediglich spielen angeben.

*… warum es z.B. nicht auch die Antilopen Gang oder Takt 32 tut.

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