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harry-ragGerade Haftbefehl hat so eine lebendige, reiche und kraftvolle Sprache voll bemerkenswerter Eigenheiten, dass hier wieder die pure Uninformiertheit aus Gründen des Ressentiments spricht. Er folgt nicht deiner Grammatikfibel, er bedient sich vieler verschiedener Sprachen, das kann einem Deutschlehrer, der Goethe als Höhe- und Endpunkt der Sprache wahrnimmt, natürlich nicht gefallen.
Da haben wir offensichtlich eine unterschiedliche Wahrnehmung. Ich Unwissender mangelnden Intellekts erkenne da lediglich die immer selben Aneinanderreihungen der zu erwartenden inhaltlichen wie sprachlichen Klischees. Über Beispiele, die mich vielleicht besser verstehen lassen, was Du meinst, wäre ich Dir durchaus dankbar. Ich bin da grundsätzlich lernwillig, vorbehaltlich meiner Ressentiments bzgl. des Themas Frauenfeindlichkeit. Aber dazu später.
Was mich dagegen durchaus ein bisschen beeindrucken kann: Dass es die jeweiligen Rapper schaffen, eine so inhaltlich eng eingegrenzte Themenauswahl (Drogen verticken, mit Autos, Geld und Waffen auf dicke Hose machen, Frauen gleichzeit als begehrens- wie verachtenswertes, jeder Zeit zur Verfügung stehendes Konsumgut darstellen, andere Randgruppen runterputzen) mithilfe wiederkehrender Ausdrücke und an den Haaren herbeigezogenen Vergleichen auf gleich 15 Tracks, bzw. gleich mehrere Alben zu strecken. So wie Samir sein Dope (jaja).
Aber bist Du ernsthaft der Meinung, dass das originell ist, wenn ein Subgenre total gefangen ist in den eigenen Klischees? Das kann ich höchstens nachvollziehen, wenn die Aufgabenstellung eindeutig die ist, das man sich nun einmal innerhalb des inhaltlichen wie sprachlichen Erwartungsrahmens zu bewegen und die üblichen Klischees zu bedienen hat. Das ist dann aber lediglich: Malen nach Zahlen.
Auch in den Videos der immerselbe Versuchsaufbau: Im Hintergrund die Platte, davor der Lambo, daneben ein paar Chics. Im Vordergund der coole Checker. Laaangweilig. Wenn’s da mal was abweichendes geben sollte: Poste gerne mal einen Link.
Noch zum Stichwort „Ressentiments“:
Das gebe ich gerne zu: Gegenüber Menschen, die sich derart frauenfeindlich geben, bin ich maximal voreingenommen. Egal, ob sie das in ihrem Privatleben auch so leben oder sich nur so äußern, weil die Erwartungshaltung des Genres zu erfüllen ist und sich momentan ’ne gute Mark damit verdienen lässt. Da könnte mir die Musik noch so zusagen, diese Haltung ist für mich einfach ein K.O.-Kriterium. Da spielt für mich aber definitiv weder Herkunft noch Hautfarbe eine Rolle.
Künstlerfreiheit hin oder her, da frage ich mich einfach, was die Motivation dahinter ist. Man könnte seinen Frust auch gegen andere richten. Warum gerade Frauen und Randgruppen?
Du hast natürlich recht, wenn Du auf die Widersprüchlichkeit hinweist, dass vieles von dem, was den Genre-Vertretern jetzt vorgeworfen wird, in der Gesellschaft tief verankert ist, Stichwort #MeToo. Aber Whataboutismen lösen die Problematik auch nicht auf – und vor allem kann ich in den Texten unserer Kandidaten hier auch nicht die Intention erkennen, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten: Sie sprechen ja ganz konkret über sich selbst und sie sagen nicht: Schau mal hier, wir handhaben das anders als ihr.
Noch zu der von Dir in den Raum geworfenen „Helene Fischer“: Die und Kollegah und Kollegen spielen doch in derselben Liga. Dass die sich jeweils innerhalb ihres Genres auf einem vergleichbaren Qualitätsniveau bzgl. Musik und Text bewegen, wirst Du vermutlich entrüstet ablehnen. Dass aber der „Deutsche Gangsta-Rap“ im Mainstream angekommen ist, lässt sich angesichts der Chartsplatzierungen doch wohl kaum leugnen. Die (zwangsläufige) Echo-Nominierung unterstreicht das lediglich. Der Zenith ist erreicht.
Also: Dafür, vom Vollbart, Undercut und Hornbrille tragenden Großstadt-Hipster mit akademischem Grad und dem Feuilleton abgefeiert zu werden, taugt das Genre doch spätestens jetzt nicht mehr… Bin mal gespannt, was man sich als intellektueller Influencer jetzt konstruiert, um es als den krassen, neuen heißen Scheiß „feiern“ zu können.
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