Antwort auf: The Sound of German HipHop

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Offtopic – weshalb dieser Beitrag gerne ausgelagert werden darf. Vielleicht in einen neuen Thread unter dem Motto „Wie geschmacklos darf Kunstfreiheit sein?“ oder so.

Die Medienredakteurin Ingrid Brodnig beschreibt im „Tagesspiegel“ den sogenannten „Nasty Effect“. Wissenschaftler der University of Wisconsin ließen mehr als 1100 Amerikaner einen Online-Artikel zum Thema Nanotechnologie lesen, der sehr neutral formuliert war. „Sie mussten darunter auch die Leserkommentare ansehen, die eine Hälfte las Kommentare, bei denen lebhaft diskutiert wurde – aber keine Schimpfworte fielen. Die andere Hälfte der Studienteilnehmer las die gleichen Kommentare, nur waren noch ganz geschickt Beleidigungen eingewoben worden. Zum Beispiel hieß es in einem Kommentar dann auch: ,…und wer die Vorteile der Nanotechnologie nicht versteht, ist ein Idiot.‘ Die Forscher verglichen dann diese beiden Gruppen und nennen ihre Ergebnisse ,verstörend‘. Diejenigen, die Schimpfworte gelesen hatten, waren deutlich gespaltener in ihrer Meinung. Wer vor dem Experiment Nanotechnologie eher gut gefunden hatte, war nun umso mehr für Nanotechnologie. Wer Nanotechnologie eher bedenklich fand, lehnte diese umso vehementer ab. Sprich: Die Mitte ging verloren.“ Brodnig folgert: „Wir müssen online schimpfwortfreie Diskussionsräume herstellen. Das mag im ersten Moment nahezu banal klingen, aber es ist wichtig, Schimpfworte ernst zu nehmen. Sie haben eine toxische Wirkung.“

Da stelle ich mir die Frage: Müssen wir Stilformen wie Battle-Rap unbedingt zwanghaft verteidigen? Müssen wir nicht erwägen, dass solche Redeweisen eine zersetzende Wirkung auf die Diskussionsfähigkeit aller Beteiligten haben können? Sind die Forschungsergebnisse nicht eine gute Anregung, rein auf Provokation setzende Ausdrucksformen öfters mal zu hinterfragen anstatt sie einfach als „Das gehört nun mal zum Genre“ unkritisch weiterzuschreiben oder mit überlegener Ironie als ganz unterhaltsam zu goutieren?

Ich weiß, dass ich mich mit diesen Fragen bei der Hiphop-Hardcore-Fraktion unbeliebt mache und dem Vorwurf aussetze, ich sei halt so ein bürgerlicher Eigenheim-Futzi, der sich in seiner kapitalistischen Heuchelwelt bequem eingerichtet habe. Na gut, egal. Natürlich bin auch ich ein „Selbstgerechter untern den Völkern“, wie es @harry-rag so herrlich ausgedrückt hat.

Der „nasty effect“ begegnet mir übrigens auch hier im Forum – ausdrücklich nicht hier in diesem Thread, wo ich die Debatte der vergangenen Tage bei allen Meinungsverschiedenheiten als durchaus wohltuend, erkenntnisbringend und argumentativ habhaft empfand; aber massiv in den deprimierenden politischen Debatten nebenan.

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