Antwort auf: The Sound of German HipHop

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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bullschuetz Ich will mich mit offen und selbstgefaellig zur Schau gestelltem Sexismus nicht abfinden. Und dass subtilere Sexismen wie gephotoshoppte Frauenbilder oder Heidi Klums Zynismus-Show auch schlimm sind, ändert daran für mich nichts. Beides ist Teil desselben Problems. Und wir leben nun mal in einer Gesellschaft, wo an vielen Fronten Backlashs im Gange sind: aufgaerender Antisemitismus, Rassismus, Sexismus. Ich finde, dem muss man entgegentreten.

Ja und nein, würde ich sagen. Kollegah und Konsorten sind ein spezielles Pflaster – man muss sicher auch hier seine Ironiedetektoren anwerfen, aber letztlich wurde der Mann unlängst von seinem eigenen Image verschlungen. Ich finde ansonsten aber, dass „Sexismus“, gerade in der Kunst, noch mehr im HipHop, ein generell enorm komplexes Thema ist. Stockkonservative Geschlechterbilder finden sich überall, gerade auch in der Pop- und Rockmusik. Drollige Märchen von holden Mägden mit gülden Haar oder der nächste Schlagerschleim, der Frauen als dümmliche Püppchen stilisiert. Das ist ein riesen Thema und sicher eines, das man angehen muss. Im HipHop ist das alles mal mehr mal weniger codiert, sicherlich aber direkter in den Formulierungen, die Ermächtigung der unteren Schicht findet hier eben die vermeintlich richtigen Ziele (Reichtum, Frauen, Waffen). Ich habe grundsätzlich auch nichts gegen Gewaltfantasien und Aggression, die in der Kunst kanalisiert werden – mir ist es viel lieber, wenn irgendwelche Dorfgangster auf Papier irgendwelche Mütter umlegen (und dabei die nettesten Gesellen sind), als wenn es umgekehrt ist. Das kann man von Battlerap ja insbesondere lernen: Da sind Leute, die sich fünfzehn Minuten bis aufs Blut zerlegen und danach im Interview auf ein Bier anstoßen und sich des Lebens freuen. Künstler haben sicherlich eine Verantwortung, ich glaube die Intelligenz der Szene wird aber oft unterschätzt – ein Junge oder Mädel, das mit dem Kram aufwächst, weiß einen Track von 187 vermutlich tausend Mal besser zu deuten, als ein ü40 Tobi, der mal bei SPON nen Artikel liest und danach seinen väterlichgutgemeinten Intellekt sprechen lässt. Mit der reinen Analyse, mit der man auch an einen literarischen Text gehen würde, kommt man bei den ganzen, oft versteckten Codes innerhalb der Szene einfach nicht weiter, finde ich. Es gibt Unmengen an Lyrics, wo ich dir zu einem Songtext zwei, drei Seiten an Querverweisen schreiben könnte, vieles davon Zitate, Anspielungen, Huldigungen usw.

Das kommt mir etwas unfair vor und auch ein bisschen wie ein Schuldumkehrtrick.

Das sind sicher harte Worte, aber auch nicht ganz unberechtigt, wenn man sich die Verläufe in den letzten Jahren zu vergleichbaren Skandalen anschaut. Ich bin das Thema einfach mittlerweile etwas leid und trete die Stöckchen schon beim Anheben klein.

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Hold on Magnolia to that great highway moon