Antwort auf: Cecil Taylor

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Ich höre die Aufnahmen aus Cecil Taylors frühen Jahren … dass da auch Buell Neidlinger am Bass dabei ist, macht die Sache nicht weniger traurig … doch verdammt, wie toll ist das alles, wie offen in alle Richtungen – man kann durchaus Herbie Nichols oder Duke Ellington heraushören, sein „Azure“ auf dem Debut-Album Jazz Advance (Transition, rec. 1956) ist schon ziemlich toll. Die beiden Stücke mit Steve Lacy gewinnen jedoch wenig, die wirken auf mich recht unfertig, wohingegen das Trio (mit Neidlinger und dem Drummer Dennis Charles) völlig fertig wirkt, ausgereift, mit einem Konzept, das irgendwo aus dem Nichts zu kommen scheint und wie ein Blitz einschlägt, auch heute noch.

Herbie Nichols statt Bartók, der halt aus der falschen Community kam? Leuchtet mir jedenfalls irgendwie ein … aber in den Liner Notes zu „Hard Driving Jazz“ bzw. meiner „Coltrane Time“-CD (Robert Levin – die sind von damals, nehme ich an, aber es steht nichts dazu) heisst es dennoch: «“Bartók,“ says Taylor, „showed me what you can do with folk material“» – Levin zitiert Taylor dann auch noch zu Stravinsky, und natürlich erwähnt er später nicht nur Ellington sondern auch Monk: „he is a kind of successor to Ellington. His pressure and intensity is so great and he is able to derive so much out of an economy of material.“ (Cecil Taylor, zit. nach Levins Liner Notes). Ökonomie ist bei Taylor gerade in den frühen Jahren durchaus ein Konzept, er spielt oft wenige Akkorde, repetiert, rifft (da kommt dann auch der Einfluss von Dave Brubeck rein … der gehörte so halbwegs zur richtigen Community, ich weiss gar nicht, wie Taylor in späteren Jahren dazu stand), aber auch der Rhythmus, das Insistieren, Repetieren, Drehen, Verschieben … Musik im Krebsgang, die einen Sog entwickelt, dem man sich nach wenigen Takten kaum noch entziehen kann (darin höre ich die wohl offensichtlichste Parallele zu Herbie Nichols‘ Blue Note-Aufnahmen von 1955/56 – immerhin fällt das noch in die selbe Zeit, in der Taylor gerade anfängt).


(Photo: Charles Rotmil, ca. mid 60s – Quelle)

In Sachen Lacy höre ich später noch in den Live-Mitschnitt von Newport 1957 herein (Cecil Taylor auf dem Label von Norman Granz – das ist wiederum auch ziemlich irr, und dass es nur eine halbe LP ist, macht auch nichts), da waren ja wieder ein paar Monaten vergangen. Gerade bin ich aber beim UA-Album Love for Sale (rec. 1959) und da ist schon der Opener, „Get Out of Town“ von Cole Porter, so grossartig, dass ich gar nicht weiter hören sondern nur immer wieder Repeat drücken will – wieder Neidlinger/Charles, auf der zweiten Hälfte dann noch Ted Curson und Bill Barron dazu und damit die ersten guten Aufnahmen mit Bläsern … zeitlich fallen noch die missglückte Session mit John Coltrane, Kenny Dorham, Chuck Israels und Louis Hayes (was ist das denn für eine bekloppt zusammengestellte Band?) und das feine Quartett mit dem leider ziemlich unbekannt gebliebenen Vibraphonisten Earl Griffith für Contemporary – aufgenommen aber unter Nat Hentoff im Nola’s Penthouse Studio in New York – ein erster Anlauf für Candid?

Inzwischen bin ich bei den Quintettt-Tracks von „Love for Sale“ (der Titeltrack, mit dem die erste Seite endet, ist natürlich auch wieder grossartig dazwischen gibt es den dritten Porter-Song des Albums, „I Love Paris“) und wenn Bill Barron am Tenorsaxophon loslegt, ebnet sich schon einiges ein, zumal in „Little Lees (Louise)“, dem ersten der Quintettstücke – trotz dem sperrigen Ton und den kantigen Linien Barrons. Taylor spielt dagegen an, setzt aber auch mal länger aus, lässt Raum, dann schiebt er Welle um Welle an, das geht dann hinter Ted Curson weiter, der verspielter wirkt, sich wie sein Leader an wenigen Ideen fest beisst, sie dreht und wendet, während das Piano drunter manchmal fast schon kinderliedartig hin und her schwenkt. Im folgenden Blues „Matie’s Trophies (Motystrophe)“ funktioniert das dann besser, Barron blässt einfache Linien, Neidlinger beweist mit seinen Walking-Linien sein gutes Bluesgefühl, Taylor wirft Tremoli ein, die mit der Bluestradition ein munteres Spiel treiben und dabei doch immer auf den Punkt gespielt sind, nie ins Beiläufige, Belanglose oder einfach nur Verspielte gehen. Der damals aus Platzgründen wohl weggelassene dritte Track in Quintett-Besetzung („Carol/Three Points“) kommt mit Latin-Rumpelbeat daher, irgendwie unpassend für Taylor, der damit im Thema aber recht gut umzugehen weiss, für die 4/4-Soli wird dann aber alles irgendwie zu konventionell und das bockige Piano allein reicht nicht ganz, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Im Juli 1957 trat auch das Cecil Taylor Quartett beim grossen Sommerfestival auf – weisse Anzüge, Hüte, Sandalen mit Sand zwischen den Zehen, Klappstühle auf der Wiese … aber da gab es ja auch einmal fast Tumulte (Ellington 1956) und immer wieder tolle Musik, 1957 z.B. von Dizzy Gillespies neuer Big Band, vom Gigi Gryce/Donald Byrd Jazzlab, mit dem Taylors Gruppe sich das Album At Newport (Verve, rec. 1957) teilte … auch Bill Evans war dort, ein anderer Nachwuchspianist, von dem man noch einiges hören sollte. Er spielte als Sideman ein paar Stücke mit dem kuriosen Multiinstrumentalisten Bill Elliott (Mellophon, Vibraphon, Bongos) (auf der LP ist auf Seite 1 Eddie Costa im Trio und mit Rolf Kühn an der Klarinette sowie Dick Johnson am Altsax zu hören – kenne ich leider nicht; Seite 2 ist dann ein Kuriositätenkabinett: erst drei Stücke vom Akkordeonisten Mat Matthews mit Hank Jones, dann die Elliott-Band mit Evans – beides Quartette). Los geht es mit einer kurzen Ansage und dann einer Version von „Johnny Come Lately“, in der Lacys Linie sich schon mal deutlich besser ins Geschehen (Neidlinger/Charles sind wieder dabei einfügt als Barron/Curson knapp zwei Jahre später auf der zweiten Hälfte von „Love for Sale“. Lacy hat aber – auch so früh schon – ein Temperament, das irgendwie in diese sperrige und doch der Tradition verbundene Musik passt, er ist überhaupt nicht im Weg, spielt mit und fügt sich ein, geht mit dem Fluss … wie Taylor und er manchmal zusammenfinden, ist eine Freude. Der folgende Blues gelingt deutlich besser als der Blues auf „Jazz Advance“ (eins der zwei dort enthaltenen Stücke mit Lacy), am besten ist dann wohl das ziemlich gradlinige „Tune 2“ aus Taylors Feder zum Abschluss, die mit über 10 Minuten längste Nummer des kurzen Sets … das kann man so machen, aber bis hierhin sind mir die Trio-Sessions – und das grossartige Solo über Cole Porters „You’d Be So Nice to Come Home To“, auch von „Jazz Advance“ – eindeutig am liebsten.

In den Liner Notes zum tollen Quartett-Album Looking Ahead! (Contemporary, rec. 1958) mit Earl Griffith am Vibraphon, von Nat Hentoff produziert und auch gleich mit einem sehr ausführlichen Text versehen, gibt Taylor ein wenig Auskunft. Am Bass bzw. Schlagzeug sind einmal mehr Neidlinger/Charles zu hören, die wirklich grossartig sind zusammen – leicht und doch niemals leichtgewichtig, ganz im Gegenteil, eine Art zarte Wucht legen sie an den Tag, einen harten Swing, der sehr tänzerisch daherkommt, oft fast schwebend.

Dieser erste Satz, was für ein Statement:

„Everything I’ve lived, I am,“ he says of how his music is created. „I am not afraid of European influences. The point is to use them – as Ellington did – as part of my life as an American Negro. Some people say I’m atonal. It depends, for one thing, on your definition of the term. In any case, I have not yet been atonal on records, including this one, but have been on occasion in live performances. It depends on the musicians I come up with. Basically, it’s not important whether a certain chord happens to fit some student’s definition of atonality. A man like Monk, for example, is concerned with growing and enriching his musical conception, and whet he does comes as a living idea out of his life’s experience, not from a theory. It may or may not turn out to be atonal. Similarly, as Miles Davis‘ European technical facility becomes sparser, his comment from the Negro folk tradition becomes more incisive. He’s been an important innovator in form in jazz, but again, not out of theory, but out of what the hears and lives.“

[…]

Cecil is usually reluctant to discuss the specifics of his evolving style, preferring that the music be heard and reacted to on what it says emotionally. But his comments on others often reveal in part what he is working at and he is occasionally explicit about his own approach. the importance of exploiting timbres, for instance. „One of the things I learned from Ellington and others is that you can make the group you play with sing if you realize that each instrument has a distinctive personality, and you can bring out the singing aspect of that personality if you use the right timbre for that instrument.“

About rhythm: „Monk knows how to place his chords in relation to the bass and drums, especially the bass, the steady element. He subdivides very subtly, more subtly than the eighth notes of the boogie-woogie pianists and the eighth note strings of some contemporary players. As a result, he also jars you harmonically. A horn player with Monk must think faster, must think instantly. And Monk also does not overblow.

„Miles Davis‘ conception of time has also led to greater rhythmic freedom. His feeling, for another thing, is so intense that he catapults the drummer, bassist and pianist together, forcing them to play at the top of their technical ability and forcing them with his own emotional strength to be as emotional as possible. Miles‘ concept of syncopation in general is larger than that of many other musicians and leads to greater variety of musical expression.“

Cecil also tries to fuse his own groups into uninhibited collective improvisation. „He puts himself into the music,“ says Earl Griffith, „with such a beautiful drive and so fully that he makes me get that way.“

~ Nat Hentoff, Liner Notes zu Cecil Taylor Quartet, Looking Ahead! (LP, Contemporary, 1959)

Das Album hat in mancher Hinsicht etwas Weicheres, dünkt mich, verglichen mit „Jazz Advance“ und „Love for Sale“ – es ist vielleicht, so unsinnig das in der Chronologie der Dinge ist, etwas ausgereifter, es ruht etwas mehr in sich, als hätte Taylor hier etwas gefunden, wo er sich wenigstens für einen Augenblick, ausruhen konnte. Es gibt Freies von der ruhigen Sorte („African Violets“ aus Griffiths Feder), Hommagen („Wallering“) und vor allem einen beeindruckenden Closer, mit 9 Minuten das längste Stück des Albums, „Excursion on a Wobbly Rail“. Das Material stammt vom einen Stück von Griffith abgesehen hier zum ersten Mal komplett von Taylor – was wiederum an Hentoff liegen mag, der wohl bereit war, diese Freiheit zu gewähren, was wiederum bei Tom Wilson (der sowohl „Jazz Advance“ für sein Transition-Label wie auch die zwei UA-Alben produziert hat) nicht ging.

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