Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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soulpope

clasjaz@soulpope Wie ist Schumann bei Pollini? Ich kenne die Einspielung nicht, fürchte aber, dass Pollini zu wenig in die Wälder geht bei Schumann. Kein Schmutz. Nicht, dass ich das bräuchte, aber Schumann neigt sehr zur Entropie – und Pollini ordnet gerne. Dachte ich heute, als ich die Pausen von Schubert und Schumann mir in Erinnerung rief – mit der B-Dur-Sonate und der C-Dur-Fantasie -, oberflächlich völlig gleich, die Pausen. Schumann kennt und schätzt wohl eine hohle Aggressivität. Vielleicht schätzt Du das an ihm nicht? Schubert macht sich mehr Gedanken, Schumann haut die Sachen raus. Ugly said, mir ist Schubert im Anfang und am Ende auch lieber. Aber Schumann hat trotzdem verlorene Tiefen ….

Ja die Ordnung oder Architektur hat bei Pollini absolute Priorität …. ich hörte das gestern via Youtube „live“ von Alexei Volodin und da war schon deutlich mehr Gestaltungswille, Emotion und Verve vorhanden – im Vergleich wirkt Pollini am Hinterfragen fast desinteressiert …. ich höre übrigens morgen Volodin konzertant mit einem Liszt/Schumann Programm und werde danach berichten ….

Das ist gut gesagt, „am Hinterfragen fast desinteressiert“ … – obwohl das sicher nicht Pollinis Absicht ist. Und, das möchte ich einwenden, architektonischer Sinn kann ja auch entlarvender, aufdeckender, hinterfragender Sinn sein. Wie auch immer, ich werde sicher immer wieder einmal Pollini hören, aber eher mit einer Haltung wie: Klappts heute endlich zwischen und mit uns? Vermutend, dass das Nichtklappen an mir liegt.

gypsy-tail-wind@clasjaz Nach dem jüngsten Gespräch mit Alexander Hawkins, der in Maurizio Pollini eins seiner grossen Vorbilder sieht, und nach dem Schumann/Chopin-Konzert von Pollini vor ein paar Wochen, holte ich mir neulich die kleine Box mit den vier CDs, die seine DG-Schumann-Einspielungen enthalten … viel angehört habe ich noch nicht, aber allmählich komme ich Pollini wohl tatsächlich auf die Spur und das passt auch. Schmutz allerdings ist da in der Tat wenig (und heute, also im Konzert, ist er ungewollt, wenn er denn auftaucht: falsche Töne … Hawkins schilderte, wie das für einen Pianisten ungefähr sein muss, dem früher technisch einfach alles gelang – bei Chopin hämmerte er im Zürcher Konzert neulich ja gewisse Töne und damit Phrasen gleich mehrfach hintereinander falsch, das hatte etwas so Insistierendes, dass es fast schon verstörend wirkte).

Falsche Töne finde ich gar nicht schlimm, wenn die Musik da ist. Dass sie es ist, unterstelle ich Pollini trotz meiner persönlichen Zweifel ohne Zögern. Aber für die Spieler selbst, Pollini, noch nicht Hawkins, dürfte es eigenartig sein, wie der Körper sich verselbstständigt. Wie mag es dem späten Cortot ergangen sein? Das war immer noch von solcher Wucht, dass ich falsche Töne – vielmehr falsche Tasten – immens suchen müsste. Auch so ein Mirakelenigma. Danke für den Bericht. Was Du allerdings im letzten Satz zum Chopinhämmern von Pollini sagst, lässt neurologisch bedenkliche Gedanken zurück. Hoffen wir das nicht.

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