Antwort auf: Eure Album-Top100

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harry-rag
Wenn man aus Mangel an Alternativen zu Lil‘ Wayne getrieben wird, ist das bitter. Aber Mitte der Noughties war Internet doch schon Standard, es hätte also die Möglichkeit gegeben auf anderen Stoff auszuweichen, ohne einen Bekannten haben zu müssen, der sich auskennt oder einen gut sortierten Plattenladen in der Stadt. Du benennst hier übrigens eine Unsitte vieler Rap-Alben: Die Überlänge. Nachdem Vinyl als Medium fast nur noch von DJs genutzt wurde, kam wohl irgendwer auf die Idee, man müsse den Leuten „value for money“ bieten und die 80-minütige Spielzeit einer CD ausnutzen. (Es gibt ja heute noch Stimmen, die sich beklagen, wenn eine Veröffentlichung nicht die 40-Minuten-Grenze übersteigt.) So befinden sich auf vielen Rap-Releases der späten 90er und 2000er übermäßig viele Filler. Wenn man dann noch an ein Untalent wie 50 Cent gerät oder den ausgebrannten Eminem, ist klar, dass man dringend etwas anderes braucht. Oder es ganz mit dem Genre lässt. Zur den HipHop-Puristen: Obwohl schon seit den Neunzigern die weißen Jugendlichen aus den Suburbs die größte Gruppe von zahlungsfähigen Rap-Konsumenten darstellt, bekam ich erst um die Jahrtausendwende das Gefühl, viele Rap-Artists setzten auf Crossover-Synergieeffekte und schielten auch auf ein noch breiteres Mainstreampublikum, zumindest verwässerte der Sound und auch die Texte verloren spürbar an Biss. Wo man früher an die Texte eines Gangsters mit bipolarer Störung wie Scarface gewöhnt war oder die sozialkritischen Tiraden von Ice Cube, ging es nun vordergründig zwar immer noch um die Hood, um Gewalt und Sex und Drogen – aber in einer Form, zu der auch Anna im Club tanzen kann und die im Radio lief. Aus street credibility mache ich mir auch nichts, je nachdem, wen man fragt, kriegt man eh die widersprüchlichsten Dinge zu hören. Aber dein Sound sollte halt Ecken und Kanten haben, ebenso deine Texte. Gefällige Tanzmusik gibt’s auch abseits von Rap. Brauche ich dort nicht.

Da ich wieder eine ausführliche Nachricht verdattelt hab (diesmal war es aber meine eigene Schuld), versuch ich es etwas kürzer: Internet hatte ich damals schon, doch habe ich mit 13-14 mehr in den amerikanischen Billboardcharts und deutschen Black Charts gestöbert, Jahresbestenlisten waren mir damals nicht wirklich geläufig (abgesehen davon war Wayne dort später selbst gar nicht so ungern gesehen). Und wie gesagt: Nas, Wu-Tang (Raekwon, GZA, Ghostface) oder auch Notorious B.I.G., N.W.A und Public Enemy (zu Letzteren finde ich bis heute nicht wirklich Zugang) hatte ich damals schon, was es halt zu kaufen gibt. Plattenläden hatte ich damals auch noch überhaupt nicht am Radar, hatte grad erst damit begonnen, eine Tonträgersammlung aufzubauen. In Saturn und Co. war die Auswahl für mich damals noch beeindruckend, aber im Hip Hop waren dort nur widerliche Deutschrap-Fratzen (ich sage nur Neger Neger von B-Tight, das dann irgendwann rauskam) und eben ein paar Klassiker. Für mich ist Tha Carter III ein großartig produzierter Blockbuster, meinetwegen auch tanzbar und auto-tunig, tiaf und banal, der in meinen Ohren im Gegensatz zu fast jedem Album aus den 00ern nicht beschissen gealtert ist. Immer wieder ein Spaß. Und auch wenn ich in meinen 25 Jahren keine zehnmal einen Club von innen gesehen habe, stelle ich es mir schon lustig vor, mit Anna zu der Schmutz-Nummer Lollipop (vielleicht kennst du ja den MTV-Clip) zu tanzen. Aber das können wir auch gerne bei mir im Wohnzimmer machen. :rose:

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