Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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gypsy-tail-wind
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Zürich, Tonhalle-Maag – 06.02.2018
 
Zürcher Kammerorchester
Sir Roger Norrington
(Ehrendirigent) Leitung
Isabelle Faust Violine

Robert Schumann Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52
Robert Schumann Violinkonzert d-Moll op. posth.

Franz Schubert Sinfonie Nr. 6 C-Dur D 589
 
Isabelle Faust wieder in Zürich – klar musste ich hin … trotz dem ein wenig missglückten Mendelssohn-Konzert im vorigen März, und trotz dem Konzert mit dem Tonhalle-Orchester unter Jakob Hrusa, bei dem auch bereits das Schumann-Konzert auf dem Programm stand – das war im Juni und leider auch ein wenig enttäuschend (lag aber an Hrusa, nicht an Faust!), während der Rest des Konzerts toll war.

Aber das war gestern alles wie weggeblasen – vor dem Konzert gab es eine Ansage eîner Bratschistin, in der sie über das Violinkonzert von Schumann sprach. Doch den Auftakt machte zunächst dessen Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52 – sehr beschwingt wurde das angegangen, Norrington sass während des ganzen Konzertes, war aber exzellent gelaunt und zu einem Spässchen aufgelegt: als nach dem ersten Satz applaudiert wurde, drehte er sich zum Publikum und grinste, nach dem Scherzo forderte er den Applaus dann gleich selber ein. Es machte dem ehemaligen (2011-16) „principal conductor“ und jetzigen Ehrendirigenten sichtlich Spass, wieder mit dem ZKO zu arbeiten – und dieses las ihm jeden Wunsch von den Händen und Lippen ab (über letztere kam öfter mal ein „tsch, tschschsch“). Da wurde völlig im Einklang musiziert und das steckte an, das Publikum legte seine zurückhaltende, typisch zürcherische Reserviertheit schnell ab (das ZKO zieht aber auch ein anders Publikum an, es gab z.B. recht viele Kinder, die es beim Tonhalle Orchester eigentlich nie gibt).

Dann Isabelle Faust, ich hatte zum Glück meine Müdigkeitskrise überwunden und war bereit für das grosse Violinkonzert von Schumann. Im Rahmen der Einspielungen der jüngeren Zeit (Faust, Kopatchinskaja, Widmann und – bei ihm zum zweiten Mal – Zehetmair) wurde ja auch mal bemängelt, dass ein Kammerorchester für die grosse Geste, mit der Schumann durchaus auch arbeitet, nicht reiche (ich glaube, das stand in einer der Rezensionen zur Widmann-Einspielung auf ECM mit dem Chamber Orchestra of Europe – da ist übrigens auch eine feine Einspielung des Mendelssohn-Konzertes zu finden @gruenschnabel – eigentlich aufgrund der Geschichte doch eine ziemlich offensichtliche aber dennoch selten anzutreffende Paarung). Die Kritik konnte ich schon im Hinblick auf die CD-Einspielungen (auch Zehetmair hat mit dem Orchestre de chambre de Paris ein klein besetztes und wie bei Widmann selbst geleitetes Orchester an seiner Seite) nicht ganz nachvollziehen, im gestrigen Konzert wurde sie meines Erachtens komplett widerlegt. Dass Faust den Solopart bestens beherrscht wurde ja schon in der alten Tonhalle klar – ich erinnere mich nicht, ob sie damals auch schon Noten dabei hatte, gestern brauchte sie diese im dritten Satz ziemlich intensiv (ich sass mal wieder vor ihrer Nase, etwas links der Mitte, grad mit der kleinen Besetzung ist das auch vom Klang her perfekt). Das Zusammenspiel klappte bestens (Faust ist beim ZKO seit vielen Jahren ein gern gesehener Gast), Faust, Norrington und das ZKO waren völlig zusammen, da stimmte einfach alles, von den solistischen Einwürfen aus dem Orchester über das Zusammenspiel, die Dynamik bis hin zur Interpretation als Ganzem – sehr beeindruckend.

Vor der kurzen zweiten Konzerthälfte richtete Norrington dann das Wort ans Publikum, sprach zuerst kurz von Schumanns Op. 52 und fragte, ob überhaupt schon jemand dieses tolle Werk gehört hätte (habe ich wohl, aber eingebrannt hatte es sich bisher nicht, das wird nachgeholt bzw. wiederholt, denn es gefiel mir sehr gut), dann schwenkte er zu Schubert über und redete ein wenig über die Symphonik in der Romantik, wie Schubert, Mendelssohn und Schumann sich nicht auf Beethovens Werk beziehen mochten sondern eher zu Mozart zurückblickten und dort ansetzten. Das kann man über die sechs Jugendsymphonien von Schubert wohl sagen, die Sechste, die „kleine“ C-Dur, glänzt jedenfalls mit einer Vielfalt an Einfällen, einer ganzen Menge eingängiger Melodien und wirkte in der Version des ZKO mit Norringon äusserst frisch – aber halt auch ziemlich leicht, mehr auf Unterhaltung als auf Tiefgang angelegt.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Records 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba