Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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soulpope@clasjaz : Dank für Deine Schumann Expedition, welche ich anhand der Künstler nachvollziehen kann – alleine Schumann und ich bewegen uns wie konzentrische Kreise, die Entfernung wird auf Dauer zur Nähe aber der Abstand bleibt gewahrt …. ich habe die Annie Fischer BBC-Legends Edition sicher wo stehen, wohl Zeit mir das mal wieder vor die Augen zu führen …. Apropos Annie Fischer …. : Das sind schon WUNDERbare Aufnahmen ….

Annie Fischer steht nun mit Dringlichkeit auf dem berühmten „Zettel“. Seltsam, manchmal folgt man frühen Spurenlegungen einfach nicht. Die Beethoven-Sonaten von ihr kenne ich nicht. Wenn Du die BBC Legends-CD mit Schumann findest … Ich habe dann inzwischen auch die „Kinderszenen“ und „Kreisleriana“ wiedergehört – und ich weiß nicht, ob es gut ist, den Eindruck so zu beschreiben: Wie oben auf den Bergen gespielt, dabei völlig naiv (was, nebenbei, gar keine schlechte Charaktierisierung des Jammerpoems von Nietzsche über Zarathustras gesammelte Werke ist), und dann kommt aber hinzu: das Fehlen jeder rhetorischen Lenkung (womit für Annie Fischers Spiel jeder Nietzsche-Vergleich im hintersten Erker verschwindet). Naiv – damit meine ich hier die alte „Kunstlosigkeit“, denn ganz sicher ist das, mit Anspielung auf Deine Signatur, eine herkuleische Arbeit.

Die Befremdung bei Schumann stellte und stellt sich immer noch auch bei mir ein. Ich habe mich gewundert vor Dezennien, als ich irgendwo bei Sartre las, Schumann sei ihm viel lieber als Schubert. Und irgendwie frage ich mich immer noch: Wie das? Ich vermute – ich könnte auch sagen, ich bin sicher, aber das bringt auch nicht mehr -, dass unsere historische Wahrnehmung für die Zeit ab Ende 18. Jahrhundert eine extrem vorgegaukelte ist, hin auf Klassizismus, und das natürlich von den Klassikern – das Sich-in-den-Schwanz-Beißen nimmt man am Anfang der Geschichte immer gern in Kauf. Ich meine, Schumann fällt sehr heraus, wird exzentrisch in Bezug auf die klassische Bahn, die alle, Schubert, Mendelssohn und erst recht Brahms, aufgenommen, eingeschlagen und trotzdem gewiss auch verändert haben. Aber der Weg war derselbe. Schumann mäandert da irgendwo herum, zu schweigen von denen damals, die wir gar nicht mehr kennen. – Das ließe sich parallelisieren mit der Literaturgeschichtsschreibung. Vielleicht hilft uns für Schumann, um es kurz zu sagen: Jean Paul?

Wie auch immer, hier heute Abend, in einer Art Vorbereitung auf die Dokumentation zu Artur Schnabel, die gleich um elf auf Arte läuft:

Die Sonate für Violine solo ist ein Art Maulwurf, sie gräbt. Und gräbt. Blind und sprachlos.

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