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James Brown – Godfather Of Soul (1986/1997/2014 …)
Vol. 3: The American Dream – Aufstieg und Fall
Ich möchte das hier noch zum Abschluss zu bringen. Die Erinnerung an JBs Autobiografie verblasst bei mir inzwischen etwas. Vielleicht ist das aber auch nicht so wichtig, denn die biografischen Fakten kann man auch woanders her holen – und vermutlich auch zuverlässiger als aus JBs Munde. Interessanter ist ja, wie sehr JB in seiner Autobiografie Propagandist in eigener Sache ist.
Ich habe mir im Buch ein paar Stellen mit Eselsohren markiert, die mir besonders bezeichnend erscheinen. Vielleicht erwähne ich das eine oder andere einfach mal exemplarisch.
Ende der 60er meldet sich bei JB das Finanzamt. JBs Reaktion: Nicht er schuldet dem Finanzamt was, das Finanzamt, bzw.: die Regierung schuldet ihm etwas, denn diese hat es unterlassen, bei ihm die entsprechenden Bildungsvoraussetzungen zu schaffen, dass er das Steuerrecht versteht. Außerdem hat die Regierung sowieso nie etwas für ihn getan, er fühlt sich also von ihr auch nicht repräsentiert.
JB wird eine Vaterschaftsklage angehängt, die er zwar niederschlägt. Er unterstützt das Kind aber finanziell bis zu dessen 21. Lebensjahr. Das ist JB 6 Zeilen wert.
1970 lässt ihn seine Band kurz vor einem Auftritt sitzen, es geht wohl um Geld. Das handelt JB in 7 Zeilen ab, ohne auf Details einzugehen. Eins ist aber klar: JB schmeißt die Band raus, nicht umgekhrt. Viel umfangreicher schildert er aber die umgehende erfolgreiche Rekrutierung einer neuen Band im Bootsy Collins. Und natürlich eilt er mit neuer Band weiter von Erfolg zu Erfolg. Warum Bootsy et al ihn nur ein gutes Jahr später wieder verlassen, bleibt etwas unscharf.
So triumphal JBs Aufstieg ist, so traurig ist sein Niedergang. In den 70erm scheinen sich die Probleme für JBs Geschäft zu häufen: Nicht nur das Finanzamt sitzt ihm ständig im Nacken, die von ihm verachtete Disco-Musik und der Trend, nicht mehr zu einer Band sondern zu einem DJ zu tanzen, setzten ihm zu. Die black community nimmt JB seine Nähe zum Republikaner Richard Nixon übel. Aber am allerschlimmsten: Der Wechsel vom Indie King zum Major Polydor erweist sich für JB als unglücklich. JBs Arbeitsgewohnheiten sind offenbar nur schlecht mit dem Apparat von Polydor zu vereinbaren und JB verliert die Kontrolle über sein Geschäft. Fast schon wieder lustige Verschwörungstheorie: JB glaubt, er sei in einer internen Intrige bei Polydor zwischen Deutschen und Juden zerrieben worden. Überhaupt: JBs Erfolge hat er sich selbst erarbeitet, an JBs Misserfolgen sind andere Schuld.
JBs Unternehmen wie Restaurants und Radiostationen gehen reihenweise pleite, auch der Lear Jet ist irgendwann weg. Seine damalige Ehefrau informiert sich über ihre materiellen Ansprüche im Scheidungsfall. JBs Platten will keiner mehr kaufen, JB und Polydor trennen sich 1981, JB tingelt als Oldie-Act durch die Clubs. Erst mit Auftritten in The Blues Brothers und Rocky erscheint JB wieder auf der Bildfläche und die Verehrung der Generation Hip Hop macht ihn wieder populär – zumindest als lebende Legende, deren Leistungen in der Vergangenheit man anerkennt. Weiß man ja alles.
Klingt traurig – und ist hier auch sehr verkürzt dargestellt. Ich wiederhole mich: Anhand von JBs Autobografie bleibt dem Leser viel Spielraum für Interpretationen. Ebenso faszinierend wie erschreckend sind die offenbar extremen Gegensätze und Widersprüche des Phänomens James Brown: Die Herkunft aus existentieller Armut – demonstrativ zur Schau gestellter Reichtum; die Sehnsucht nach einer intakten Familie – ständig wechselnde private Beziehungen; göttergleiche Verehrung durch die black community – das Geraten in Vergessenheit, fast so, als sei er in Ungnade gefallen; totale Kontrolle über die Musik, die Band und das Geschäft – der Absturz in künstlerische, wirtschaftliche und legale Probleme an der Grenze zur Hilflosigkeit.
Abbildung: Guy Peellaert / Nik Cohn: Soul Brother No. 1, with his private aeroplanes, in his silken robes, moving in a cloud of perfume and wealth; without rest, he travelled back and forth throughout his nation, like a sultan, like a healer, and everwhere that he moved, he dealt out largesse for the afflicted, joy for the sorrowing, rage for the faint at heart. (aus: Rock Dreams, 1973)
Und all dem steht mindestens die erste Hälfte der 70er haufenweise großartiger Musik entgegen. Dazu später noch etwas.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)