Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Solokünstler › James Brown › Antwort auf: James Brown
Bevor ich es vergesse:
Habe zwischen den Jahren angefangen James Browns Autobiografie Godfather Of Soul zu lesen und bin jetzt halb durch.
James Brown – Godfather Of Soul (1986/1997/2014 …)
Das ist ist sicher keine literarische Meisterleistung – aber das habe ich auch nicht erwartet. JB und sein auf dem Cover uncredited ghostwriter Bruce Tucker geben einen eher lakonischen und – natürlich! – subjektiv geprägten Abriss von James Browns Karriere. Interessant sind aber schon mal die zwei Einleitungen und das Vorwort von Al Sharpton (JBs Manager von 1973-80) und Karen Hunter, die im Grunde die Frage stellen: Wer war James Brown wirklich? Die Antwort müssen sie natürlich schuldig bleiben.
JB erzählt von seiner Kindheit – heute würde man sagen – in zerütteten Familienverhältnissen, die Jugend als Laufbursche eines Bordells und seiner Karriere als Kleinkrimineller. Wobei: die Grenze zwischen Kriminalität und „Geschäftemachen“ durch Scharzbrennerei, Prostitution und ein bisschen Diebstahl und Hehlerei war damals im Süden der USA offenbar fließend, solange alle davon profitierten und man sich mit der Polizei arrangierte. Für JB war das wohl eine der wenigen Möglichkeiten, überhaupt mal an ein bisschen Geld zu kommen – etwas, was ihn wahrscheinlich nicht von vielen anderen Afro-Amerikanern unterschied. Man durfte sich halt nicht erwischen lassen. Die Konsequenz für JB war aber eine lange Haftstrafe, die glücklicherweise größtenteils zur Bewährung ausgesetzt wurde. In einem der wenigen Wertungen, die JB im Buch vornimmt, schreibt er „Wenn man einem Menschen keine Möglichkeit gibt, eine anständige Schulbildung zu bekommen, dann darf man ihn auch nicht wegen Blödheit ins Gefängnis werfen. Das haben sie (…) getan – mich wegen meiner Blödheit ins Gefängnis geworfen.“
Was treibt JB an? Flieht er vor den Verhältnissen, aus denen er stammte, oder hat er ein Ziel vor Augen? Es gibt etwas, das ihn begeistert: die Musik und die umherziehenden Zirkusshows – wobei sich beides miteinander vermischt. Sein großes Vorbild ist Louis Jordan, der nicht nur ein großer Musiker, sondern vor allem auch ein großer showman ist. Und das ist der Weg, auf den auch JB sich begibt.
Wir erfahren, wie JB sich jahrelang im chitlin circuit abmüht, sich von der Postion des Schlagzeugers als leader der Famous Flames durchsetzt, meist ständig on the road mit hunderten von one-nighters im Jahr. Zwar hat er mit Please, Please, Please einen Plattenhit, aber das bedeutet nicht den Durchbruch, denn entscheidend ist auf der Bühne, wo man unter vielen teils in der gleichen show auftretenden acts die Gunst des Publikums gewinnen muss. Da guckt einer vom anderen ab und versucht ihn zu übertreffen, da gibt es JBs Rivalität mit Little Richard – bis der sich aus dem show business zurückzieht.
Es dauert Jahre bis sich JB aus dem Süden bis in die heiligen Hallen des Apollo Theatre in Harlem hochgearbeit hat. Sein gegen den Willen seines Managements und von ihm selbst finanziertes Live-Album ist dann 1962 endlich der Durchbruch. Da war er schon mehr als 6 Jahre im Geschäft.
Interessant ist aber nicht nur das, was JB schreibt, sondern auch das, was er nicht schreibt. Seine erste Eheschließung und -scheidung erwähnt er in ein-zwei Sätzen, die Geburt seiner ersten beiden Kinder nur nebenbei. Bei den anderen Frauen, mit denen er ein Verhältnis hatte (meist Mitglieder seiner show) verliert man schnell den Überblick (er geht darauf auch gar nicht weiter im Detail ein), außer dass er wohl auch Verhältnisse mit Aretha Franklin und Tammy Terrell hatte. Auch die Mitglieder seiner Band werden nur hier und da mal erwähnt – viel wichtiger waren ihm offenbar seine Manager und Plattenbosse. Und er scheint sich an alle Details seiner shows und Plattenaufnahmen zu erinnern. Völlig klar, wo für JB die Priotitäten liegen.
Und jetzt bin ich überrascht, wie viel ich nur der ersten Hälfte dieses eigentlich etwas schlichten Buches abgewinnen kann. Aber klar – vieles davon ist auch Interpretation und Wertung meinerseits, denn dazu lässt das Buch Raum.
Teil 2 folgt.
Parallel gehört:
James Brown – Roots Of A Revolution (1956 – 1964)
Eine 2-CD Compi mit Dutzenden Aufnahmen, die JB von 1956 – 64 gemacht hat. Ausgelassen werden dabei Hits wie Try Me oder Please, Please, Please, die man aber auf anderen Compis findet. Das ist durchgehend gut, nicht immer herausragend, aber manchmal großartig. Schön ist, wie man hier die Entwicklung von einem passablen Doo Wop, Traditional Pop und R&B, zu einem selbstbewusstem Soul, der die Wurzeln zum Funk in sich trägt, verfolgen kann. Das gewinnt nach und nach immer mehr Kontur und Schärfe. Was für lange Wege James Brown dafür gegangen ist!
--
“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)