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@ captain-kidd: Das Problem ist eher, dass bei so einer Diskussion sich immer mehr Seitenaspekte anhäufen, die von der Ausgangsfrage wegführen. Die (genuinen) Youtuber wären noch mal ein eigenes Thema. Da befinden wir uns auch in einem Entwicklungsland. Ich selber verfolge deutschsprachige Youtuber nur am Rande. Das ist tatsächlich reine Jugendkultur, allerdings gibt es dort inzwischen auch etliche mit mehr als 1 Mio. Abonnenten. Innerhalb der Zielgruppe (u25) ist das also ein absolutes relevantes Thema, außerhalb spielt es keine Rolle, vergleichbar mit Deutsch-Rap. Generation Gap, eindeutig.
Der Ausgangspunkt war doch die Beobachtung von @ bullitt, dass es keine globalen Popstars mehr zu geben scheint, die jeder kennt, so wie noch in den 80ern und 90ern. Seine These war, dass das darin liegt, dass mit dem Internet, mit Youtube, Spotify usw., sich jeder Interessierte seine individuelle musikalische Filterblase einrichten kann, quasi der Sieg des Nerdtums über die Popkultur klassischer Prägung. Ich hatte dagegen ins Feld geführt, dass es mit dem Siegeszug von Youtube und Spotify durchaus nicht zu einer Zersplitterung gekommen ist, sondern es im Gegenteil wieder klare Strukturen im weltweiten Popmarkt und auch echte Popstars wie Ed Sheeran, Bruno Mars, The Weeknd, Kanye West, Taylor Swift, Katy Perry usw. usw. gibt. Aber wieso kennt die „keiner“? Wieso sind die nicht Gegenstand des öffentlichen Interesses?
In den USA ist das definitiv anders, da gehören Popstars weiterhin zur Celebrity-Kultur wie Schauspieler und Sportler. Die sind dort auch in den traditionellen Medien sichtbar, z. B. in den Late Night Shows. Ich gehe davon aus, dass eine Diskussion, wie wir sie hier führen, in den USA nicht denkbar wäre, weil dort eben jeder die derzeit erfolgreichen Popstars kennt. Wie es in anderen Ländern aussieht, müsste man sich einzeln anschauen. Für Deutschland muss man wohl feststellen: „Wir“ sind vom globalen Popmarkt weitgehend abgehängt. Die offiziellen Album- und Singlescharts 2017 sind noch nicht veröffentlicht, aber es gibt Jahresauswertung der Top10-Listen – und die geben schon ein hinreichend deutliches Bild.
Bei den Alben ist offensichtlich: Wir schmoren im eigenen Saft. Schlager, Deutschrap und Altbewährtes. Das einzige, wirklich einzige Album mit aktueller popkultureller Relevanz für das Jahr 2017 ist „See You“ von The XX. Die Singles sind deutlich internationaler, aber um die US- und UK-Popstars mit heimischem Celebrity-Status machen die Hörer hier eher einen Bogen, da herrschen gesichtslose Hitproduzenten wie Imagine Dragons, Chainsmokers und Robin Schulz vor. Zumindest die US-Trap-Welle findet einen gewissen Niederschlag (z. B. Post Malone). Aber der einzige globale Pop-Star, den die Deutschen offensichtlich ins Herz geschlossen haben, ist Ed Sheeran. Das passt ja auch perfekt ins Gesamtbild.
Bei der Gelegenheit:
The New York Times: How Ed Sheeran Made 2017’s Biggest Track
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