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bullitt
Das glaube ich eben nicht. Ein Distinktionsgewinn gegenüber Dritten funktioniert nur, wenn die auch irgendwie eingeweiht sind. Battles wie Beatles vs. Stones, Punk vs. Prog, Grunge vs. Metal, Oasis vs. Blur funktionierten nur in diesem Ausmaß, weil die jeweiligen Lager eine breite Öffentlichkeit hatten. Identifikation mit Popstars macht wenig Sinn, wenn sie keiner kennt. Zudem erzeugen Stars erst mit dem Bekanntheitsgrad des Papstes oder des US-Präsidenten jene Dynamik, die sie überlebensgroß-ikonenhaft erscheinen lässt. Gibt’s immer noch, nur nicht mehr in der Popmusik.
Das bestreite ich jetzt mal alles ganz entschieden.:) Die von Dir genannten Battles haben immer nur die jeweilige Hauptzielgruppe aktueller Popmusik interessiert. Die Altersgrenze wird sich von Mitte der 60er bis heute vielleicht von u20er auf u30er verschoben haben, aber dann ist in aller Regel Schicht, dann hat man seine Favoriten und wechselte in die Gruppe der „Schläfer“. Und für genau die war tatsächlich „Wetten, dass“ – aber aktuelle, virulente Popmusik hat sich dort nie abgespielt. Als MJ dort auftrat, war das Teil seines letzten, kommerziell zugegeben noch mal enorm erfolgreichen Aufbäumens, aber 1995 war er eigentlich nur noch ein Witz und Schatten seiner selbst. Bei „Wetten, dass“ traten nur die Etablierten auf, die zuverlässig lieferten, aber die den Höhepunkt ihrer Relevanz schon längst hinter sich hatten (Tina, Rod, Elton, immer schön im Wechsel). Man hatte nicht ernsthaft etwas verpasst, wenn man es nicht gesehen hatte. MTV und Ray Cokes waren dagegen Jugendprogramm, welcher Ältere hat das schon gesehen.
Diese Megastarfaszination wie bei MJ von der Du sprichst, die war immer ein äußerst rares Gut, den kann man nicht als das typische Beispiel für die ganze Ära und ihre Protagonisten betrachten. Vielleicht gibt es heute keinen MJ, aber die Sheerans, Swifts, Adeles usw. sind doch nicht weniger präsente und erfolgreiche Stars wie die Lionel Richies, Phil Collins, Whitney Houstons usw. der alten Zeit.
Die Michael Jacksons unserer Tage heißen Neymar, Ronaldo und Messi.
Äh, ja … Ich will wirklich nicht kokettieren, es ist die schlichte Wahrheit: Der Name Neymar sagt mir absolut NICHTS. Den habe ich bewusst noch nie wahrgenommen. Die anderen beiden Namen habe ich schon mal gehört/gelesen, aber wenn ich mir Fotos ansehe – das sind mir unbekannte Gesichter. Ernsthaft. Als Schüler kannte und erkannte ich ja noch die Beckenbauers, Rummenigges, Sepp Maiers usw. notgedrungen, da kam ich nicht umhin. Aber in den letzten 30 Jahren habe ich mich wunderbar in meiner Filterblase eingerichtet. Und könnte jetzt die These aufstellen, dass Fussballer heutzutage nur noch Nerds interessieren, sonst hätte ich den Namen Neymar doch wohl schon mal gehört …
Bestätigt ja eigentlich genau was ich meine. Sie klickt sich oben durch die chartbasierten Playlists, die meisten User hier scrollen wohl einen Tick weiter und verlieren sich in den Verästelungen diverser Genre-Playlists. Ab dann übernimmt der Algorithmus und versorgt einen mit allem weiteren. So ist man nur zwei Klicks voneinander entfernt, begegnet sich aber nie. Das ist das Gegenteil von linearem Radioprogramm oder MTV.
Früher gab es auch genügend Musikfans, die sich dem Mainstream soweit sie nur eben konnten entzogen haben. Und auch Volksbelustigungen wie „Wetten, dass“.
Ich sage ja nicht, dass Youtube exakt so ist wie MTV, aber es hat mittlerweile den Pop-Markt so umgekrempelt wie seinerzeit MTV. Im Grunde ist es die logische Fortführung. Auf MTV war Musik erstmals 24/7 im Fernsehen greifbar und viele Shows waren auf Interaktivität angelegt, gerade Ray Cokes. Das funktioniert auf einer Online-Plattform natürlich alles noch wesentlich besser als im Rahmen eines linearen Fernsehprogramms. Das bedeutet aber nicht, dass dort alles dem Zufall überlassen wird und man die Kerngruppe der Kundschaft, also die u25er, einfach laufen lässt. Die Algorithmen sind nicht nur für die da, die das Spezielle suchen, sondern in erster Linie, um die Leute auf bestimmte Angebote zu bringen, etwa durch Vorschläge auf der Startseite und am Seitenrand, durch Trend-Charts usw. Das will Youtube so, das wollen die Werbekunden so, das wollen viele der immer professioneller arbeitenden Youtube-Kanäle so. Aus der Online-Laienbühne, die anfangs den oft spröden Charme von Bürgerfunk hatte, aber aus der sich ab ca. 2009 neue Formen interaktiver Unterhaltung entwickelte, ist inzwischen die absolute Marktmacht geworden (bei denen, die den alten DIY-Geist hochhalten, wächst mittlerweile auch der Unmut über die Entwicklung und die Kommerzialisierung und Professionalisierung von Youtube).
Das Verschieben der Posts hat leider keinen Zweck, man kann nur noch innerhalb der Unterforen verschieben. Aber ich finde, in einen Thread, in dem es um Trends 2017 geht, passt die Diskussion durchaus.
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