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bullittIm Vergleich sind das doch aber bestenfalls Jackos und Madonnas in Westentaschenformat, die primär in ihrer eigen Peergroup hoch und runter geklickt werden, aber darüber hinaus nicht mehr annähernd die Öffentlichkeit wie Popstars zwischen 1960 und 1995 herstellen können. Wie auch, ohne das zielgerichtete Scheinwerferlicht einer geordneten Medienlandschaft? Die Tatsache, dass man sie so einfach ignorieren kann bzw. gezielt eine Auseinandersetzung suchen muss, zeigt doch den Unterschied.
Um Die Beatlemania zu verpassen, hätte man sich seinerzeit wohl in ein Erdloch einbuddeln lassen müssen und zu Michael Jackson hatte 1988 generationsübergreifend wohl jeder Mensch der westlichen Welt eine Meinung. Aber zugegeben, man kann vielleicht noch etwas differenzieren. Die Noughties haben strukturell zumindest noch nach ähnlichen Mustern funktioniert. Richtig unübersichtlich wurde und wird es erst künftig mit der zunehmenden Individualisierung durch Social Media/Streaming .
Die Beatlesmania und auch Elvis ’56 würde ich außen vorlassen, das waren kulturelle und gesellschaftliche Phänomene, die untrennbar mit ihrer Zeit zu tun hatten. Wirklich Vergleichbares hat es danach nie wieder gegeben und kann es auch nicht wieder geben. Was die „Megastars“ der 80er Jahre angeht – natürlich hatte zu denen jeder eine Meinung, aber damals hätte Dir auch jeder ü30er gesagt, dass die ja wohl nur Fliegengewichte wären im Vergleich zu den Helden der 60er. Und wer die unterhalb dieser Altersgrenze toll fand, der war ein belächelnswerter „Normie“, wie man heute sagen würde. Außer Prince galt von denen keiner als satisfaktionsfähig. Die Kids waren damals ebenso in Peer Groups zersplittert, die alle ihre spezielle Musik und Idole hatten und verächtlich auf den „Mainstream“ schauten. Man sollte das nicht im Nachhinein romantisieren.
Ich widerspreche auch Deiner These, dass es heute keine geordnete Medienlandschaft mehr gibt. Im Gegenteil! Die Nuller Jahre waren tatsächlich die Übergangsphase, als keiner so genau wusste, wie es weitergeht. Das Musikfernsehen starb, die Tonträgerindustrie schien zu sterben und im Internet war Freibeuterei angesagt, man lud sich halt runter, was die Tauschbörsen und Leaks-Plattformen hergaben. Mit der Etablierung von Spotify und Youtube hat sich das Blatt wieder gewendet, die haben den Mainstream wieder in geordnete Bahnen gelenkt. Der Unterschied zu früher ist, dass diese Quasi-Monopolisten ein unendlich viel breiteres Angebot haben als die Major Labels, die früher den Markt weitgehend kontrollieren. Der Zugang für Künstler ist wesentlich einfacher und die Algorithmen sind flexibel. Wer das Spezielle sucht, wird es reichlich finden. Aber die seit Jahren wachsenden Klickzahlen auf Youtube für eine sich immer mehr absetzende kleine Gruppe von Künstlern und Tracks zeigen, dass hier eine erneute „Mainstreamisierung“ stattfindet. Wie gesagt, fast 3 Milliarden Youtube-Klicks für „Shape Of You“ in einem Jahr. Da kannst Du nicht ernsthaft von einem Peer Group-Phänomen sprechen. Ed Sheeran kennt inzwischen wirklich jeder, er türmt Hitsingle auf Hitalbum, er ist der Phil Collins der Zehner Jahre, es gibt kein Entkommen. Youtube ist das neue MTV und hat seine eigene Megastars hervorgebracht.
„Despacito“ hat sogar 4,5 Milliarden Klicks. Man kann das nicht genug betonen: MILLIARDEN! Nix Peer Group … Luis Fonsi wird wahrscheinlich das Psy-Schicksal ereilen, der den ersten Youtube-Milliarden-Hit hatte, aber nicht über den „Novelty Act“-Status hinauskam. Aber es gibt sie noch oder besser gesagt: wieder, die globalen Mega-Stars, und was in den 80ern die Nachrichten über Bubbles und Sauerstoffzelte waren, ist heute der Gossip über Kanye und Kim.
Übrigens ist Youtube auch der Hort der hemmungslosen „Früher war alles besser“-Nostalgie. Noch unter dem letzten Vengaboys-Clip kommentieren Leute, dass das noch richtige Musik war und nicht so ein Mist wie heute – manches ändert sich eben doch nie.:)
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