Antwort auf: Pink Floyd

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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Ich bin ehrlich gesagt ein wenig erschüttert darüber, wie sorglos hier mit Begriffen um sich geworfen wird.

Ich werde für meinen Teil wütend, wenn ich so pathethisch aufgeblasenes Zeug wie „In der Luft schwebt ein aufblasbares Schwein. Darauf projiziert: ein Davidstern.“ lesen muss. Danach ist von Antisemitismus und Nationalsozialismus die Rede und Querverweise zur Propaganda der NSDAP werden gezogen.

Ich glaube, hier treffen nur einfach zwei Dinge aufeinander. Und beide haben viel mit Imagepflege zu tun. Wenn man sich die Unmengen an Befürwortern der „Artists for Palestine“ durchsieht – und das sind sicher nicht nur Idioten, sondern Personen wie Thurston Moore, Robert Wyatt, Stevie Wonder, Brian Eno, Kate Tempest -, bekommt man zumindest den Eindruck, dass die Politik Israels auf extrem geteilte Empfindungen stößt. Schwierig ist natürlich, dass oft das „eigene Bild“ fehlt – man teilt eben eine Petition, weil man mal einen erschütternden Bericht über den Umgang mit den Palästinensern, der in diesen Szenarien oft einem puren Kulturmord gleicht, gesehen hat – und etwas tun möchte. Zumindest diesem Staat nicht noch durch Auftritte eine Art von Respekt erweisen will. Und natürlich teilt man, empfiehlt weiter – der Inbegriff von Social Media. Desweiteren wird BDS aber nicht nur von ein paar irren „white guys“ unterstützt, sondern gemäß wikipedia auch von 85% der befragten Palästinenser aus den besetzten Gebieten.

Dem entgegen steht die Jüdische Gemeinde und diverse Gegen-Petitionen – die meiner Meinung nach eben auch ein „Image“ verkörpern und darum bemüht sind, natürlich Kritik an der Politik Israels schon im Keim zu ersticken. Denn auf Waters‘ Schwein ist eben nicht nur ein Davidstern – sondern das aller großer Religionen und Konzerne, quasi ein Abbild der zentralen, durchaus nicht daherfantasierten Machstrukturen in dieser Welt. Und natürlich haben davon alle Leichen im Keller und verdienen ihr Logo auf einem gigantischen Schweineballon.

Ein letzter Punkt, der mir immer wieder Magenschmerzen bereitet: Antisemitismus hat m.E. primär nichts mit Rassismus zu tun. Ich finde, man muss mit viel Achtsamkeit dafür Sorge tragen, dass man nicht den Hass gegenüber einer Religion oder einer Poltik (und deren Auslegung) mit der Ablehnung einer Ethnie verwechselt. Das ist, gerade im Rassismus, oft geschehen – man kennt den raffgierigen „Juden“ mit der Hakennase und den langen Fingern. Genaugenommen kann sich der Begriff Antisemitismus aber primär nur durch seine Ablehnung einer Glaubensgemeinschaft verstehen. Vor diesem Hintergrund kann man zwar diskutieren, dass im GG auch Religionsfreiheit ein zentrales Gut ist, gleichsam aber auch anmerken, dass in einem säkularen Gefüge Religionsablehnung (und auch Boykottierung) als Teil der Meinungsfreiheit gesehen werden sollte.

Derartige Kritik stets in diese düsterwäldlerische Welt des Rassismus zu zerren, ist nunmal auch eine fahle und scheinheilige Strategie – die leider gerade in Deutschland natürlich auf einen großen, angsterfüllten Nährboden fällt. Dass der WDR die Sache zurückzieht – vermutlich nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor Konsequenzen, Einschaltquoten, Image.

Ich finde schon, dass es ein unglaublich schwieriges und kontroverses Thema ist, wo man sich zum Depp macht, wenn man nur „Nazi!“ gröhlt. Denn an „Schweigen gibt Recht“ stimmt nunmal auch etwas.

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Hold on Magnolia to that great highway moon