Antwort auf: Umfrage: Die besten 20 Tracks von Randy Newman

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go1
Gang of One

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Das wird jetzt ein bisschen abstrakt, aber was solls. Ein kleiner Exkurs:

speed-turtleDann war Sinatra eben schon von Newman unglücklich gewählt, aber ich verstehe natürlich die Motivation dahinter. Was wiederum am Kern meiner Argumentation nichts ändert, dass damit nur eine Lesart (nämlich die des Erfolglosen oder meinetwegen One-Hit-Emporkömmlings, der auf dicke Hose macht) durch eine andere (nämlich die des tatsächlichen Stars, den das alles nur noch ankotzt) ersetzt würde, also unterm Strich nichts hinzu kommt.

Zunächst mal haben wir da schon drei Lesarten des Songs zusammen (der Sänger spielt einen reichen Egozentriker oder einen Erfolglosen, der auf dicke Hose macht, oder bekennt seine wahren Gefühle – letzteres kann man natürlich nur dann glaubhaft machen, wenn es ein Star ist, der singt). Dass da jeweils eine die anderen ersetzt, ist nicht zwingend – je nach Interpretation könnte die Bedeutung auch „schillern“, also uneindeutig bleiben.

speed-turtleDie Tatsache, dass es Teile des Publikums vielleicht nicht raffen oder empört denken „Der hat’s gerade nötig!“, kann ein willkommener Nebeneffekt sein, der allerdings eher auf Kommunikationsstörungen zwischen Sender und Empfänger beruhen würde als auf dem tatsächlichen Inhalt der Übertragung, welcher dadurch an sich weder besser noch schlechter wird. Sowohl Identifikation als auch Distanzierung sind möglich, absichtlich wie unabsichtlich, aber eben nur alternativ, niemals gleichzeitig, und wenn doch, dann jedenfalls nur in verschiedenen Köpfen.

Damit bin ich nicht einverstanden. Beides kann in ein und demselben Kopf stattfinden, nämlich abwechselnd. Daraus folgt Unsicherheit (Verunsicherung), und genau das kann die beabsichtigte Wirkung sein („Meint der das ernst?!“). Es geht ja um Kunst, und nicht darum, eine „Nachricht“ zu übertragen (ein guter Rat an Künstler lautet: „Wenn du eine Botschaft hast, schreib ein Telegramm“). Uneindeutigkeit oder Mehrdeutigkeit sind hier gut und nicht schlecht. Dann ist aber der „tatsächliche Inhalt der Übertragung“ nicht zu trennen von den verschiedenen Möglichkeiten, ihn plausibel zu interpretieren, und damit von den möglichen Wirkungen. Die Gesamtheit der plausiblen Interpretationen, das ist der „Inhalt“ eines Songs.

Der Unterschied ist, dass die Ironie im Falle eines weniger populären Interpreten ohne Weiteres auf der Hand liegt, während sich der millionenschwere Publikumsliebling schon ordentlich ins Zeug legen müsste, um nicht mit der „Rolle“ verwechselt zu werden. Und das hat sich ja offenbar nicht mal Sinatra selbst zugetraut.

Sicher. Aber: no risk, no fun! Wenn es gelänge, wäre es eben eine große Leistung. Sinatra könnte „Lonely at the Top“ so überzeugend singen, dass man ihm die Rolle abkauft, und dabei subtil Distanz signalisieren, so subtil, dass er mit der Gefahr flirtet, mit seiner Rolle verwechselt zu werden (eines reichen Egozentrikers, der sein Leben leid ist) – so dass es eben nicht zur offensichtlichen Comedynummer wird. (So etwas in der Art könnte Newman damals vorgeschwebt haben, denke ich.)

Nebenbei: Mit viel zu allgemeinen Begriffen wie „Sender“, „Empfänger“, „Kommunikation“ und dergleichen kommt man nicht weiter, wenn es um Kunst geht (die stammen ja aus der Nachrichtentechnik; und dort hätten sie auch bleiben sollen). Dieser Diskussion hier fügen sie meines Erachtens nichts Sinnvolles hinzu. Aber damit wieder zurück zu den Songs von Randy Newman.

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