Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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Anonym
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@soulpope

Deiner Linie „Intimität-Suche“ – Abklärung – „neue Intimität“ kann ich schon folgen, aber mein Hören setzt seit Langem meist erst bei der Abklärung ein. Und gerade der Schritt von der Abklärung/Nüchternheit hin zu einem Aufschluss bei/in mir selbst wird mir von Pollini nicht gezeigt – oder ich lasse ihn mir, mea culpa, nicht zeigen. Wenn ich oben, zu Kurtág, die Wörter „Emotion“ und „Schönheit“ etwas inflationär gebraucht haben sollte, dann in der Voraussetzung, dass sie manchmal halbwegs brauchbare Dachdeckerausdrücke sind, intra muros und unter Freunden gleichsam, die schon wissen, was gemeint ist, ich habe sie tatsächlich nur in Bezug auf Kurtág hervorgekramt. Also Pollini, ich suche da nirgends Intimität, fern sei aller Schleim zumal bei Komponisten wie Beethoven, Chopin (gerade bei ihm, obwohl er in den Klavierkonzerten nicht damit zurückhält) und Schubert. Ich empfinde die Abklärung Pollinis als unzureichend; insofern, als Emotion minus Kitsch noch nicht gleich Analyse ist (um mit Musils schönem Stück aus dem Nachlass zu Lebzeiten zu spielen), Analyse schon gar nicht mit Technik zu verwechseln und folglich Kunst gleich Analyse plus Emotion erst recht schwierig zu erweisen sein mag. Und deshalb kann mir auch Pollinis Technik, worin ich allein die Abgeklärtheit noch realisiert finden könnte, nichts „vermitteln“. Wie kann ich das anders sagen? Pollini ist für mich so eine Art Joachim Kühn, ich möchte aber Andrew Hill, nicht weil ich es passend haben möchte, sondern weil mich das schon genug beschäftigt und ich Zeitverlust befürchte (das darf ich nur sagen, weil ich viel Zeit an Pollini verwendet habe, auch zuletzt, und auch sein Schönberg stimmt für mich nicht mehr- mag sich wieder ändern) … Für die beiden kannst Du natürlich etliche andere einsetzen, und viel besser als ich, aber zur Illustration mags hingehen. – Und von alldem sei unberührt, dass mit der Zeit oder je nachdem immer Überraschungen warten, und ein anderes Hören. Aber gerade bei Pollini und den späten Beethovensonaten, dort also, wo ich keine plakative Intimität möchte (erst recht nicht in op. 109), wirklich nicht, höre ich – gar nichts außer eine Art Klavier nach Zahlen. Das war mal anders – vielleicht gehe ich also den Weg nur rückwärts.

@gypsy-tail-wind

Wenn ich es frivol sagen soll: Gegen ein Scheitern habe ich nichts … Nicht das war es, was mich bei Holliger kühl zurückließ. Wir sprechen hier ja auch über Werke, deren Ernst so hoch ist, dass die üblichen Wägungen ganz unangebracht wären. Das ist mir schon bewusst.  Die Auslegung des Scheiterns – mir fällt gerade wieder auf, wieviel Möglichkeiten Worte haben oder hatten, die „Auslegung“, die schon eingefroren schienen – durch Kopatchinskaja dürfte so übel nicht sein, denn wenn man ein Werk der Verzweiflung und des Scheiterns schreibt, ist die Versuchung oder die Stimme des Auswegs immer präsent, das geht womöglich gar nicht anders. Und das Aufbäumen und das Hinarbeiten sind am Ende – in Ansehung der Wirklichkeit – eins.

Dazu passt mir deshalb zum Abendprogramm gleich endlich eine (hier) neue CD:

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