Antwort auf: Pharoah Sanders

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vorgarten

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1971 läuft nach wie vor alles hervorragend bei sanders. nach der zweiten thembi-session zwei interessante (und irgendwie dokumentierte) auftritte mit alice coltrane und archie shepp, eine sommer-europa-tour mit dokumentiertem auftritt in nizza (mit der tollen rumpfband smith/mcbee/hopps/killian), danach steigt lonnie liston smith aus und wird dauerhaft durch joe bonner ersetzt, irgendwann darauf finden die „live at the east“-aufnahmen statt und spät im jahr weitere sessions für impulse.

21.2.1971
live in der carnegie hall, aus anlass des geburtstags von swami satchidananda. sanders ist teil einer alice-coltrane-supergroup, die sowohl ihr material als auch das ihres ehemannes spielt: sanders & shepp, mcbee & garrison, blackwell & jarvis, dazu noch tambura- und harmonium-spieler. ed michel kann sich daran erinnern, dass alles auf 4-spur-bändern aufgenommen wurde und nun im coltrane-haus lagert, aber nur diese 30-minütige „africa“-version kursiert im netz, in unterschiedlicher tonqualität (die beste, die ich habe, kam von brian eno per twitter, kann sein, dass er da selbst ein bisschen drübergegangen ist…).

jedenfalls ist das ein großartiger auftritt, bei dem ich mir allerdings nicht immer ganz sicher bin, ob ich die einzelnen beiträge richtig zuordne.

es fängt mit den beiden drummern an, die vom ersten augenblick an ein feuerwerk abfackeln. mit alices dunklen akkorden wird das thema eingeleitet, das shepp & sanders quasi im rubato einwerfen. shepps solo ist großartig, er schwimmt in alices akkordwellen, lässt sich von jarvis und blackwell antreiben. sein unscharfes spiel atmet mit, lädt sich permanent im power play von jarvis auf, setzt sich in die lücken. er ist sanders ja gar nicht so unähnlich in seiner changes-geringachtung, aber als dieser übernimmt (ab 6:09, wenn ich das richtig höre), fallen sofort die unterschiede auf. sanders grummelt sich in die musik hinein und setzt sich dann drauf, lässt unter sich alles stehen, entrückt sich immer mehr, bis er in schrei-kaskaden wirklich alles von der bühne fegt. er ist verzahnter mit alice, bei den drummern kommt jetzt eher blackwell durch, zusammen wird das ein anderes projekt als shepps fire music.

nach den trademark-growls übernimmt alice ab 9:50, holt die musik auf den boden (eher 1 meter darüber), tritt dann in eine art duett mit jarvis, der sich anders, hyperaktiver, in den späten coltrane-band-sound einbringt, in dessen modus alice verbleibt. dann kommt ein grandioses blackwell-solo, eine studie in westafrikanischer polyrhythmik, inklusive doppelgong, ich kann nicht ausmachen, ob jarvis daran beteiligt ist. dann kommen die beiden bassisten an die reihe, erst mcbee, zupackend, virtuos, mit szenenapplaus. nach einem kurzen vamp steigt garrison ein, elegant, mit schönem ton, den trademark-arpeggien, etwas etüdenhaft. szenenapplaus auch hier. dann variieren sie beide gleichzeitig um den hauptvamp des stücks herum, was ein sehr toller moment ist. erst nach 10 bassgeprägten minuten steigt die band wieder ein, von alice angeführt (toller groove). die beiden tenoristen dürfen auf den letzten vier minuten nochmal gemeinsam aufdrehen, shepp attackiert, sanders singt. shepp versucht es noch zwei mal, das thema einzubringen, dann verglimmt die performance. der applaus ist frenetisch. man würde wirklich gerne den gesamten auftritt hören.

[23.3. oder 23.4.1971
ein live-auftritt in berkeley, bei dem vieles unklar ist. meine quelle behauptet die besetzung alice coltrane /shepp / sanders / lowe /garrison / jarvis. lipnickis diskografie ist vorsichtiger: alice, shepp, sanders ODER lowe, rest unknown. die tonqualität ist unterirdisch.

am anfang gibt es eine version von „journey in satchidananda“, es sind zwei sopransaxofone zu höre, die nach shepp und lowe klingen, aber nicht nach sanders (lowe nimmt ja auch im november mit alice auf). aber es kann auch sein, dass er auch noch dabei ist, sich hier nur etwas zurückhält. geprägt wird das stück ohnehin von alices unorthodoxem harfenspiel, das wie von ferne in alle möglichen richtungen zerspringt.

danach kommt ein bislang unidentifizierter blues mit alice am klavier. das sopransolo ist zweifelsohne von shepp (und ziemlich toll). alice wechselt an die harfe und lässt viele lücken. applaus deutet auf einen solistenwechsel an. das nächste sopran steigt mit einem „summertime“-zitat ein, was sehr ungewöhnlich für sanders wäre. auch im verlauf des solos würde ich mich jetzt hier auf lowe festlegen, sanders ist das jedenfalls auf keinen fall. danach kommt noch ein kurzes harfensolo, das war’s.

dann wieder „africa“, wieder über 25 minuten lang. alice am klavier, thema auf dem tenor von shepp. sein solo ist toll – überhaupt, alice & shepp funktionieren hervorragend zusammen. in der neunten minute kommt dann ein neues tenor, sehr schöner, gesanglicher ton, ständig das thema von „africa“ hin und her schiebend, das sanders in der carnegie hall so geflissentlich ignoriert hat. also eindeutig lowe. dann ein langes solo von alice. da gibt’s keinen dritten saxofonisten. am ende noch mal shepp, dann ein langes garrison-solo, das war’s. dieser eintrag hier ist also in einem sanders-thread fehl am platz. aber scheinbar sind sich andere da nicht so sicher (oder er taucht auf nicht überlieferten stücken dieses abends noch auf).]

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