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Auch wenn ich Deine – begründete? – Vermutung, dass European Son und Revolution #9 oft und gerne gedisst werden, damit nicht bestätigen kann: Ich stimme Dir in der Bewertung der beiden Tracks zu. Noise, drones und Disharmonie sind ein Thema der Musik von Velvet Underground. Und Revolution #9 ist ja fast sowas wie die auf die Spitze getriebene Essenz des White Albums, wild collagiert, scheinbar zusammenhangslos und in sich widersprüchlich. Klar, dass weder der eine noch der andere Track leicht zu hören ist, aber – Hey! – wir reden hier nicht über easy listening.
Wenn man will kann man beide tracks auch im Kontext anderer Musik im Speziellen und Kunst im Allgemeinen jener Zeit hören: Im Jazz trieben John Coltrane und andere die freie Improvisation so weit, dass der Deckel vom Topf sprang (und Lou Reed und John Cale kannten das höchstwahrscheinlich) und John Cale hatte vor (und nach) seiner Zeit bei VU mit Avantgarde-Musikern zusammengearbeitet. John Lennon war über Yoko Ono mit der damaligen künstlerischen Avantgarde in Berührung gekommen, er wird John Cage und Stockhausen gekannt haben, in der Literatur wurden Texte zusammengeschnippselt und in der Pop Art vorgefundene Objekte ausgestellt. In sofern befinden sich European Son und Revolution #9 Mitte/Ende der 60er in bester Gesellschaft.
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)