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Nur nochmal zur Richtigstellung, weil ich gestern etwas irritiert aber zu absorbiert zum ausführlicheren Schreiben war: Fast überall, wo sich mehr als drei Jazzfans tummeln, kennt man Lucky Thompson und bei drei Jazzfans wird mindestens einer eine Lobeshynme auf diesen grossartigen Musiker anstimmen.
So zumindest meine Erfahrung.
Die Sache ist halt die, dass Thompson vom Musikbusiness enorm abgetörnt war und sich irgendwann in Sechzigern komplett zurückzog, nachdem er schon davor längere Phasen der Unsichtbarkeit durchlebte … er ging nach Europa (sprich: in Amerika war er tot), nahm dort zwar einiges auf (es gibt u.a. zwei Vogue-CDs, drei Jazz in Paris-CDs, eine „Americans Swinging in Paris“-CD und weitere Sessions mit Kenny Clarke etc., alles aus Paris ca. 1956), aber diese Sachen waren wohl nie weit verbreitet …
Mit under den schönsten US-Aufnahmen sind jene mit Oscar Pettiford für ABC-Paramount (ein Label, das nicht gerade viele erstklassige Jazz-Alben hinkriegte, aber später immerhin ein Dach für Impulse bot, was aber an Creed Taylors Erfolg lag) erschienen auf CD in den Neunzigern, als der Impulse-Katalog noch zu GRP gehörte (MCA-Zeitalter wohl, mag das jetzt nicht nachlesen), danach gab es nie mehr Reissues davon (es gibt je eine Twofer-CD von Thompson und Pettiford, die Sachen erscheinen natürlich später in Spanien wieder).
Zudem noch: altmodisch … klar, aus der heutigen einebnenden Sicht mag man das als Fazit so sagen (oder auch hören). Aber vom Ton abgesehen – der eben zurück zu Hawkins oder Byas geht und nicht an Pres/Parker geschult ist – ist Thompson gewiss kein altmodischer Musiker. Wie gesagt, er ist ja auch auf einer der Dial-Sessions mit Parker zu hören. Benny Golson ist wohl ein vergleichbarer Musiker, der auch einen „altmodischen“ Sound hat, diesen aber mit einem durchaus avancierten harmonischen Verständnis kombiniert. Ich denke man kommt da – wie z.B. bei Tommy Flanagan oder Hank Jones – zu schnell mit Prädikaten wie „elegant“ und „geschmeidig“, bei denen im Jazz-Diskurs fast immer etwas Abfälliges mitschwingt.
Diese Doppel-LP hier sollte man überdies im Regal haben … es gibt glaube ich nach wie vor keine andere wirklich komplette Ausgabe des Materials (allenfalls eine von Avids lustigen Doppel-CDs, aber ich glaube auch dort fehlt wieder irgendwas):
https://www.discogs.com/Milt-Jackson-Second-Nature/release/5415669
Die Sessions mit Milt Jackson zählen auch zu den schönsten von Thompson.
Ein Nachruf:
https://www.theguardian.com/news/2005/oct/05/guardianobituaries.usa
Und die grosse Diskographie von Noal Cohen:
http://attictoys.com/lucky-thompson/
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