Antwort auf: Alice Coltrane

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vorgarten

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napoleon-dynamiteMein Eindruck ist, dass diese Phase im Popkontext schon sehr lange ernst genommen wird. Das kommt jetzt durch die Compilation vielleicht nur etwas weiter an die Oberfläche (und öffnet/verschiebt im Jazzkontext möglicherweise den Blickwinkel).
Ob das alles unbedingt mit einem genuinen Verständnis der Musik zu tun hat, ist natürlich ein anderes Thema …

ah, vielen dank, gut zu wissen. in diesen szenen bin ich nicht zuhause, selbst animal collective ist bisher etwas an mir vorbeigerauscht, aber die verbindungen finde ich schon nachvollziehbar, hier z.b.

auf vaporwave wäre ich in diesem zusammenhang aber nicht gekommen ;) ich wusste nur von referenzen aus der l.a.-hiphop-szene, bei abstract rude z.b., aber da geht es vor allem um samples (da haben sich viele bei alice bedient, aber eben selten bei den ashram tapes):

das mit der popkulturellen (nicht)ernstnahme sehe ich aber offensichtlich zu sehr aus dem jazzkontext, wo es diese zwei verkürzten erzählungen über alice gibt: entweder war sie frau coltrane, die ein erbe fortgesetzt hat (das interesse hört dann meistens vor der warner-zeit auf), oder sie war die mit der modalen drone-musik und den hippen bass-ostinati und der harfe, die dann esoterisch abgedriftet und in einem ashram untergetaucht ist. es sind tatsächlich die bürgerlichen medien, die sich erstmals mit der luaka-bop-compilation in den ashram wagen, das ist die aktuelle verschiebung – woanders zirkulierte diese musik offensichtlich schon, wie du besser weißt als ich.

[meine alice-erzählung würde bei einem gender- und race-spezifischen zugang zu spitueller musik ausgehen (mit direktem einfluss auf ihre musikalische sprache, die ich immer mehr aus der orgel heraus entwickelt finde als dass sie im engeren sinn „pianistisch“ wäre), und dann müsste man über selbstbestimmungsmöglichkeiten einer alleinerziehenden musikerin ende der 60er nachdenken, und über ein neuausrichten und -aufladen der spirituellen erfahrungen in einem setting (das vedantic center), das ja wie eine mischung aus oz (mit aufgehobenen gender&race-differenzen) und bürgerlichem kirchenamt klingt (in dem sie ja noch nicht mal gewohnt hat, sondern jeden morgen zur arbeit und am mittwoch und sonntag zum gottesdienst erschien).]

was ich etwas obskur finde, ist, dass fast nichts von TURIYA SINGS auf der kompilation enthalten ist, weshalb einige ja da noch auf ein richtiges reissue hoffen. fast heißt: der vinyl-bonustrack „rama katha“ ist von TURIYA SINGS, wird aber auf der luaka bop als „previously unreleased“ geführt, obwohl er bestenfalls neu gemixt ist, kommt nicht als download, die bisherigen links sind gelöscht. mir ist unklar, wer die auswahl getroffen hat und nach welchen kriterien. und dann gibt es ja noch die vielen hinweise, dass es einen haufen von wirklich unveröffentlichten aufnahmen gibt – und nicht zuletzt das großwerk SACRED LANGUAGE OF ASCENSION, zu dem es offensichtlich schon orchesterspuren und einiges an studiomaterial gibt. ravi und michelle, die das wohl alles geerbt haben, äußern sich eigenartigerweise nie dazu, oder sie werden nicht gefragt.

aber das alles nur als randbemerkungen zu einer erstaunlichen wiederentdeckungs-rhetorik, gegen die ich ja überhaupt nichts habe, solange da überhaupt etwas passiert.

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