Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

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ford-prefect
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Claus Peymann liest Thomas Bernhard – DasHaus, Ludwigshafen/Rhein, 12.4.2017

Eine schwere Tür fällt krachend ins Schloss und Theatermacher Claus Peymann marschiert, unter Applaus des Publikums, von rechts auf die Bühne. „Es steht 2:0 für Monaco, nur damit Sie es wissen“, informiert Peymann guter Laune. Auf einem weinroten Ohrensessel, der wiederum auf einer kleinen weißen Schrägfläche steht, setzt sich der Regisseur hin. Um dann aus dem alten Suhrkamp-Roman „Holzfällen. Eine Erregung“ von Schriftsteller Thomas Bernhard vorzulesen. Mit dem Steiß rutscht Peymann die Sitzfläche des Sessels herunter und haucht in einer Körperhaltung zwischen Sitzen und Liegen der Bernhard’schen Streitschrift neues Leben ein. Erzählend, flüsternd, rufend und bisweilen schreiend, mit ausholender Geste. Wobei sich die Theaterlegende, die im kommenden Juni ihren 80. Geburtstag feiern kann, unruhig im Ohrensessel hin- und herbewegt. Auf derselben kleinen Bühne, auf der in der Vergangenheit die Misfits, WIZO und Fehlfarben rockten. Damals hieß der Laden noch schlicht Haus der Jugend (auf YouTube findet man Clips).

Bei dem Roman „Holzfällen“ handelt es sich um eine Wutrede aus der Sicht eines empörten Ich-Erzählers. Schauplatz ist die Wohnung eines kulturbeflissenen Ehepaares namens Auersberger, das ein künstlerisches Abendessen mit Freunden abhält, darunter ein namenloser Burgtheater-Schauspieler. Ein misanthropischer Monolog des Hasses, voller gekonnter Zynismen, aus der Feder von Schriftsteller Bernhard, und seine bittere Abrechnung mit der feinen Wiener Gesellschaft. Ohne konkrete Namen zu nennen.

Dennoch erhielt der Roman im Jahre 1984 kurz nach Veröffentlichung in Österreich eine einstweilige Verfügung per Gericht, ein befreundeter Komponist wollte sich beleidigt in diesem Text als Parodie wiedererkannt haben. „Die Buchhändler im deutschen Grenzgebiet zu Österreich triumphierten, denn sie durften den Roman weiterhin verkaufen“, erinnert sich der Vortragende Claus Peymann, der im nächsten Juli seine Intendanz am Berliner Ensemble niederlegt. Immer wieder kicherte das Ludwigshafener Publikum, das sich wohl in den Schilderungen Thomas Bernhards wiederfand und mit den Seitenhieben identifizieren konnte.

„Künstlertum heißt in Österreich für die meisten, sich dem Staat, gleich welchem, gefügig zu machen und sich von ihm aushalten zu lassen lebenslänglich. Das österreichische Künstlertum ist ein gemeiner und verlogener Weg des Staatsopportunismus, der mit Stipendien und Preisen gepflastert und mit Orden und Ehrenzeichen tapeziert ist und der in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof endet“, zitierte der Gastredner in Ludwigshafen aus dem Roman.

Auch Peymann kommt im Roman „Holzfällen“ anonym vor. Als der Vorleser, der zwischen 1986 und 1999 das Wiener Burgtheater als Direktor leitete, diese Textstelle erreicht, springt Peymann freudig auf, greift in seine Hosentasche und wirft buntes Konfetti über sich.

Als Erkenntnis bleibt: Thomas Bernhard schrieb damals mit das schönste, geschliffenste und virtuoseste Deutsch überhaupt mit wundervollen Beschreibungen. In seinem Roman, dessen Titel sich auf die menschliche Sehnsucht nach Natur, Wald und In-Ruhe-gelassen-werden bezieht, trifft fast jede Zeile.

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