Antwort auf: The Sound of German HipHop

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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@harry-rag: Ich habe „Ich und mein Bruder“ jetzt drei- oder viermal gehört, daher ein erster Eindruck. Vorweg: Es ist ein wirklich hörenswertes Album, allerdings bin ich dennoch enttäuscht. Das Standing von „Weit entfernt“ ist hier ja mittlerweile bekannt (ich habe es auch gestern nochmal im Vergleich gehört), ich hatte nicht erwartet, dass dieses Doppelspiel daran anknüpft.

Positiv: Die Beiden ergänzen sich mit Ihren Flows hervorragend, das wirkt wirklich blind engespielt. Die Produktion (an der Yassin, Clefco, Dexter und Torky Tork mitgewirkt haben) ist angemessen geschliffen, die Beats packen eigentlich durchweg und als Ganzes erfreut mich die Kompaktheit des Albums. Döll flowt noch prägnanenter als früher, ich bewundere diesen zackigen Rhythmus in seinen Versen. Das ist alles absolut stimmig in Szene gesetzt und mit „Outro“ haben sie einen wirklich tollen Abschluss geschaffen, vermutlich mein liebster Track des Albums – erinnert mich sehr an „Alles im Kasten“ mit Nomis.

Negativ: Mein größtes Manko sind die Hooks – ich bin einfach absolut kein Freund davon die Titelzeile zehnmal zu wiederholen, das klingt dann schnell sehr behäbig und erwartbar, vor allem wenn sie auch noch völlig unoriginell ist. Ich verstehe den Represent Gedanke hinter vielen Tracks, aber mir fehlt die Tiefe. Im Grunde ist vieles eingetreten, was ich erwartet hatte: Mädness fährt den Film des glücklichen Bruders, der die verdiente Renaissance an der Seite seines m.E. talentierteren Bruders erlebt, Döll wiederum nimmt sich sprachlich eher zurück und bleibt völlig hinter seinen Möglichkeiten – vermutlich schon der Tatsache geschuldet, dass die Tracks immer ein Konzept haben, auf dass sich beide einigen. Für die Familie und so. Mir fehlt dadurch ein wenig das Feuer in den Tracks: Da ist kaum Abriss oder alternativ echte Empfindsamkeit, sondern über weite Strecken eher gediegene Denkmalpflege. Mir fehlen die Aha-Momente völlig – sprachlich, inhaltlich. So Zeilen wie „„Ich bin im Mood. Also bitte komm mir nicht mit so Moves. Ich nehme mein Leben mit in die Booth. Erzähl mir nichts, ich weiß ganz genau, was ich hier tu!“ kriegen mich halt einfach nicht – da gibts Beifall für den Inhalt, aber sprachlich ist das so ungelenk, wie es nur irgendwie geht.

Was die Beats betrifft: Die sind gut, aber teilweise nicht ganz mein Stil. Ich mag den dunklen, urbanen Sound von Döll Tracks wie „The man“, „Weit entfernt“ oder „Trinkhallenromantik“ – die Produktionen hier schwappen meist zwischen aufpolierten, lockeren Boom Bap Nummern (sogar mit Frauenvocals im Hintergrund) und etwas verzweigteren Trap Mechanismen hin- und her.

Soviel zum ersten Eindruck. Alles in allem hörenswert, wie gesagt, aber den Klassiker, den viele jetzt schon ausrufen, höre ich nicht ansatzweise.

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Hold on Magnolia to that great highway moon