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friedrichWiederum später habe ich die Doku Straight No Chaser gesehen aber erst beim wiederholten Sehen fiel mir auf, was für ein Mensch dort porträtiert wurde: Genialisch, vorsichtig gesagt etwas kauzig, faszinierend, irgendwie sogar sympathisch, andererseits aber auch ein außerhalb seiner Musik oft völlig hilflos wirkender Mensch, der offenbar psychische Probleme hat, und der seinen Mitmenschen dadurch sehr viel abverlangt. Es gibt da so eine Szene, in der Nellie am Flughafen (oder so) hektisch alles organisiert, während sich Monk völlig geistesabwesend buchstäblich nur um seine eigene Achse dreht. Oder sein Sohn Thelonious Jr., der davon berichtet, wie sein Vater ihn im zunehmenden Alter nicht mehr erkannte. Und dann sind da die Klinikaufenthalte des wohl unter einer bipolaren Störung leidenden Monk, die ja weder bei Fitterling noch bei DU erwähnt werden – was nicht wundern sollte, denn sowohl Familie Monk als auch sein Management haben die wohl geheim gehalten, da das sonst möglicherweise Monks Karriereende bedeutet hätte. Da war ich doch etwas entsetzt. Genie und Wahnsinn, wenn man es klischeehaft ausdrücken will.
Aber darüber hatten wir früher schon mal geredet.
mir hat STRAIGHT NO CHASER monk damals auch näher gebracht, ich habe ihn aber ganz anders gelesen. die derwisch-trance-tänze (die ja ritualhaft immer zum aus-dem-körper-heraustreten führen sollen) von monk habe ich mit größter sympathie gesehen (angesichts deutscher reporterfragen wie: herr monk, sie tragen immer besondere hüte – was hat das mit ihrer musik zu tun?), und zur livemusik haben sie mir eine intensität gezeigt, die tatsächlich in der musik selbst liegt (und die ich auf aufnahmen oft vermisse).
die psycho-problematik würde ich versuchsweise auch anders interpretieren, zumal sowas wie autismus ja damals nicht diagnostiziert wurde und auch die zugänge eines afroamerikaners zu den feinsten verästelungen des amerikanischen gesundheitssystems von den 40ern bis in die 70er ich jetzt auch nicht als so optimal voraussetzen würde. aber offensichtlich gab es doch ein netzwerk von familie, kollegen und freund_innen, die monk abgeschirmt haben, ihm die möglichkeiten verschafft haben, bis zuletzt produktiv zu bleiben und zu tun, was er am liebsten tat. darüber hinaus kenne ich keine aussagen aus der musikerszene über ihn, die nicht von großem respekt geprägt waren. und wiederum aussagen von ihm, die als expertisen galten und oft einen neuen blick auf die musik anderer ermöglichten (seine bemerkung, dass sun ra swinge, seine korrektur an abbey lincolns stil, die sie immer wieder als entscheidend für sich hervorgehoben hat, usw.). das heißt: wie haben es hier mit einem gut integrierten menschen zu tun, und das spricht für die integratiosnkraft und druchlässigkeit der szene, die sich mit solchen floskelkonstruktionen à la „genie und wahnsinn“ wohl kaum aufeghalten hat.
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