Antwort auf: SXTN

#10089127  | PERMALINK

Anonym
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irrlichtDie Frage kam bei mir nur auf, weil Du am Anfang von „Jahrzehnten“ in der Szene gesprochen hast. Das las‘ sich fast wie dr.musics schon 67 Jahre Rock’n’Roll. Aber zum Eigentlichen: Für mich gibt es auch zwei Formen – Pop als Stil und Pop im Sinne populärer, massentauglicher Musik. Wobei man sagen muss, dass all das erstmal wenig heißt. Eingängigkeit macht Tracks nicht prinzipiell billig und nur weil ein Track die Massen anspricht, ist er noch nicht schlecht. Ich habe kein Problem damit, dass K.I.Z. Stadien füllen – vermutlich wäre das nicht so, wenn dort nur die Leute Tickets kaufen würden, deren Hirnkapazität für mehr reicht, als nur das Logo zu begreifen. Dieses „Entwachsen“ aus dem HipHop ist sicher ein Thema – es passt zum trendigen Zeitgeist, letztlich wäge ich da aber ab. Bei Pi fand ich den Move glaubhaft – er hat sich ein neues Pseudonym erstellt, in dem er privatere, eingängigere Wege geht. Das Porno Ensemble gibt es aber immernoch, dazu finden sich etwa auf dem letzten Album einige Features mit alles andere als bekannten Acts (kein Adel Tawil, kein Xavier Naidoo). Und der Track mit Kolle ist wirklich erstaunlich packend. „Progressiv“, ja. Für mich ist HipHop eine der Szenen, die einen großen Spagat wagt. Einerseits muss man die Traditionen kennen, die Codes, die sprachlichen Mittel und Querverweise, andererseits erfreut es mich, dass die heutige Herangehensweise nicht mehr lediglich auf Stieber Twins und ATCQ basiert – ich mag es, wenn herausragende Rapper sich andere Stile einverleiben (etwa Aesop Rock) und das ist letztlich doch der Inbegriff von sich einer entwickelnden Kultur (also Progression). Das hat mit Zeitgeistanbiederung erstmal nichts zu tun, sondern mit Offenheit, Bezug zur Gegenwart. Kennst Du eigentlich das neue Interview in der JUICE mit der Gang? Da geht es etwa um Reimschemata, Szenengefühl und Konsumententum.

Mein weitaus älterer Cousin hat angefangen mich mitzuschleppen, als ich 10 oder 11 war. Natürlich nicht besonders cool, so ein halbgares Lustprodukt am Bein zu haben, aber dadurch haben wir noch heute eine tiefergehende Bindung, obwohl unsere Lebenswege und -ideale sonst ziemlich unterschiedlich sind. Daher würde ich auch nicht von einer „progressiven“ HipHop-Szene sprechen wollen: Es gibt sicher progressive Aktivisten, wie es überhaupt extrem unterschiedliche Vorlieben und Ansichten innerhalb der Szene gibt, diese werden durch die HipHop-Klammer zusammengehalten. Den Außenstehenden fehlt dieser Halt, sie fallen ins Kröpfchen.
K.I.Z. sind ja auch so eine Band, die durch und durch HipHop sind. Vielleicht funktioniert das ein bisschen wie bei den Simpsons: Man kann die Serie auch gut finden, wenn man nicht alle Gags versteht (und sich auch gar nicht die Mühe macht zu verstehen).
Den Bezug zur Gegenwart finde ich immer ein bisschen witzig, weil der nicht wirklich ausschlaggebend ist, es sei denn, man ist ein Hipster und muss hinter den neusten Trends herhecheln. Deswegen sind Platten, die 30 Jahre oder mehr auf dem Buckel haben, immer noch zugänglich: So viel hat sich in der Welt der Menschen nicht geändert. Auch wenn diese das gerne anders sehen wollen.

Ist das gesamte Interview online? Dann lese ich das jetzt mal. :)

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