Antwort auf: Steve Coleman und M-Base

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vorgarten

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steve coleman & council of balance / five elements: GENESIS & THE OPENING OF THE WAY. bmg/ rca victor 1997.

colemans spätphase bei bmg markiert bei mir ungefähr den zeitpunkt, wo ich mich vom groupie zum distanziert-interessierten begleiter seiner musik entwickelt habe (parallel zu einem tieferen einstieg in den eher historischen jazz). heute finde ich das, was ab hier entstand, viel interessanter als die mit hiphop und funk flirtende groovemusik, die wohl in der box mit live-aufnahmen aus dem pariser hot brass club 1995 am prägnantesten dokumentiert ist. und eigentlich hängt das alles bis heute ziemlich kohärent zusammen und es ist quatsch, da von großen entwicklungen oder veränderungen zu sprechen. aber ich bin gerade wieder mit dem doppelalbum GENESIS / THE OPENING OF THE WAY eingestiegen und habe lust, das bis in die unmittelbare gegenwart durchzuhören.

diese aufnahmen sind zwischen november 1996 und juni 1997 entstanden und präsentieren zwei bands, die sich auf ziemlich reizvolle art gegenseitig kommentieren. GENESIS ist ein äußerst ambitioniertes projekt mit big band und streichquartett, letztes markiert die band als „coucil of balance“, die coleman in aktualisierter formation bis heute fortführt (das aktuellste album auf pi ist ebenfalls eine council-of-balance-aufnahme). THE OPENING OF THE WAY ist dagegen von einer rumpfband ohne zweiten bläser, die quasi colemans hauptband „five elements“ weiterschreibt, allerdings mit einigen personellen umbesetzungen.

beide teile präsentieren sich – sowohl in der hyperkomplexen council-anordnung, als auch in der basisformation – als ausgesprochen entspannte, lässig dahin groovende organismen. die bigband auf GENESIS ist interessant besetzt, fast eine traumbesetzung aus wichtigen kooperationspartnern und neu-entdeckungen in colemans karriere: greg osby und ravi coltrane sind dabei, der cubaner yosvany terry, greg tardy, ralph alessi (neben zwei weiteren trompetern), aber interessanterweise auch george lewis (weitere posaunisten sind tim albright, joshua roseman, jamal haynes und andré atkins). der langjährige five-elements-gitarrist dave gilmore wird ziemlich funktional eingesetzt, den klavierstuhl teilen sich andy milne und vijay iyer, die bass-rolle ist doppelt besetzt: reggie washington (elektrisch) und kenny davis (akustisch). der drummer ist hier erstmalig der grandiose sean rickman, eine feste besetzung nach dem hyperaktiven marvin smitty smith und dem eher schwer groovenden gene lake. das klassische streichquartett hat reggie workmans tochter nioka am cello und elektra kurtis-stewart als erste violinistin. nicht wegzudenken seit der zusammenarbeit mit afrocuba de mantanzas ist die afrokubanische percussion, die hier auf ganze fünf spieler verteilt ist.

erzählt wird auf GENESIS die schöpfungsgeschichte in einzelnen, ineinander übergehenden teilen, die „day one“ bis „day seven“ genannt und mit der coda „awareness“ abgeschlossen werden. grundlage sind federnde grooves, die sehr flexibel betont werden, ohne jemals in einen swing-rhythmus zu fallen. die percussion bleibt dabei erstaunlich transparent mit den drums verzahnt, so dass sich niemals der eindruck eines zu vollen klangbildes ergibt. die streicher setzen horizontal einzelne akkordflächen hinzu, auch das klavier ist eher atmosphärisch eingesetzt. die improvisationen der bläser erfolgen meist in zweiergruppen oder komplett kollektiv, meist aber wird ein kurzes solo vom nachfolgenden länger überlappt, so dass permanent bewegung entsteht, aber kaum individuelle spots gesetzt werden. wer da überhaupt spielt, ist nicht verzeichnet – george lewis kann man heraushören, ravi coltrane und greg tardy auch, ansonsten geht es eher um klangfarbenbewegung, weniger um eine solo-dramaturgie. ziemlich schön sind die übergänge, die oft im accelerando erfolgen und dann zu etwas neuem aufbrechen, ohne dezidierte brüche einzuziehen. organisch rollende percussiongrooves werden von eher zackigen bigband-sounds abgelöst, das lange, vorletzte stück „day seven“ ist dagegen ein rubato-tongemälde mit langen soli von coleman und iyer. wahrscheinlich ist das alles weit weg von großen loft-besetzungen (bei rivers) oder den bigbands, in denen coleman in seiner frühen new yorker zeit gespielt hat, aber die arrangements sind erstaunlich „informiert“, transparent, abwechslungsreich, wenig angeberisch, tatsächlich eine große bewegung über einer konstant vibrierenden latin percussion, die die ganze zeit leicht und beweglich bleibt.

THE OPENING OF THE WAY, mit klavier (milne) und gitarre (gilmore), e-bass (david dyson, eine bislang einmalige zusammenarbeit, manchmal von washington akustisch verdoppelt) und rickman an den drums, die latin-percussion auf einen spieler (miguel angel diaz zayas) eingedampft, mit einem extracredit für die tänzerin roselangela silvestre, die bei den einspielungen offensichtlich anwesend war, greift das konzept der flexiblen, leichten grooves auf, allerdings ist coleman hier als improvisator viel deutlicher präsent. die 12 stücke fließen ebenfalls suitenartig zusammen, werden aber vom schneidenden altsax-ton dominiert, der sich im immergleichen intensitäts-level in die grooves legt. coleman improvisiert nicht auf höhepunkte hin, eher auf verdichtung, manchmal lässt er über lange zeiträume auch einfach die grooves laufen und pausiert. andy milne, der pianist, spielt ebenfalls charakteristisch sparsam, lässt lücken, verzichtet oft auf akkordarbeit. gilmore ist mit den bass-linien verzahnt, hat nur wenige soli. das ist klar eine coleman-show, über kippenden grooves (mal auf 1 & 3, mal auf 2 & 4 betont), zirkuläre basslinien, manchmal wirken die themen wie aus dem bebop, virtuose endlosläufe, die nervös die beats vor sich her treiben. nur ganz am ende, im letzten stück, schwingt sich coleman zu einem dramaturgischen höhepunkt-solo auf, mit überblasen und allem. ansonsten sorgt die eher plateauhaft angelegte intensität der musik bei mir für leichte schwierigkeiten, sie am stück durchzuhören. das ist 1997 schon sehr deutlich state of m-base-art, sehr locker aus dem handgelenk gespielt. aber es ist auch sperrig, schmeichelt sich nicht ein, schneidet sich in die räume. eine musik, die nah am funk ist, oft tatsächlich „kickt“, aber in der melodieführung nicht funktional gesetzt ist und eigentlich gegen das tänzerische arbeit.

auf seiner eigenen seite bietet coleman GENESIS übrigens komplett zum download an, von THE OPENING immerhin 4 stücke.

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