Antwort auf: Stereolab, ou: The Groop

#10070341  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Eine schöne Diskussion unter Pop-Nerds ( @vorgarten , @napoleon-dynamite) ist das hier und wir gehen immer weiter in die feinsten Nuancen und kommen dabei von Stock auf Stöckchen. Erinnerte mich vorhin an eine Szene aus Der Name der Rose: Zwei einander widerstrebende Mönchsorden sind vor die Heilige Inquisition (oder so) geladen, um eine Glaubensfrage zu klären, die am Ende Exkommunikation, Tod auf dem Scheiterhaufen, ewige Verdammnis oder Schlimmeres bedeuten kann: Ist es mit der Frömmigkeit vereinbar, nach materiellem Besitz zu streben? Die Argumentation wird dann an der alles entscheidenden Frage aufgezogen: „Die Kleider, die Jesus am Leibe trug – waren sie sein Eigentum?“

;-)

Ob DOTS oder COBRA das bessere SL-Album ist? Geschenkt! Beide sind toll! Ob das 11-minütige Blue Milk ein schwerer Brocken ist? Für jemanden, der gerne 60-minütige Stücke für 6 Marimbas (oder so) hört, sicher nicht. Für den gemeinen Popkonsumenten vielleicht schon. Ist die Musik von SL abgezirkelt? Gar eine „dekorative syntheseleistung“ (Boah! ;-) )? Vorhin habe ich meine Stereolab-für-Dummies-Playlist nach langer Zeit mal wieder angehört und spätestens wenn Laetitia Sadler und Mary Hansen im Duett singen, treibt es mir die Tränen in die Augen! Und unterscheiden sich DOTS und COBRA wesentlich oder nicht? Bei DOTS kann ich zumindest einige Prozent mehr elektronische Bestandteile ausmachen …

Das Pitchfork-Review von COBRA ist der Hammer:

„Blue Milk“ the stultifying fourteen-minute (sic!) drone which slowly spins in the middle of Cobra and Phases Group Plays Voltage in the Milky Night like a interest-sucking blackhole, brings to mind Michael Snow’s 1967 „short“ film „Wavelength,“ in that it soars to new levels of vexation and artistic solipsism. Actually, Stereolab might take this as a compliment, since they named the first track on Dots and Loops after avant-garde filmmaker Stan Brakhage, and they evidently lounge around in plastic furniture wearing thick turtlenecks, smoking long-stemmed pipes, and debating the subtle differences between Josef Alberts‘ (sic!) blue and yellow paintings.

AUTSCH! Da brauche ich nicht mal nachzuschlagen, was „stultifying“ auf Deutsch heißt um das zu verstehen. Nachvollziehbar (und wenn man ehrlich ist, macht sich der Autor hier sogar scharfsinnig über das Pop-Nerdtum lustig), aber der daraus abgeleiteten Bewertung möchte ich nicht zustimmen. Ich empfinde sogar ein wenig Stolz, dass ich COBRA lieben gelernt habe, obwohl ich ausschließlich negative Reviews dazu gelesen habe. Allmusic vergibt nur ** 1/2 von ***** und der NME vergab 0 von 10 Punkten. Da freut man sich als Pop-Nerd doch, es besser zu wissen! Noch mehr freut es mich, dass ich auch den Namen von Josef Albers richtig buchstabieren kann. Damit disqualifiziert sich dieser jämmerliche Pitchfork-Schmierfink sowieso!

Btw. und apropos Pop-Nerd: Wenn Dir John McEntires krautig-gechannelter Drumstil zusagt, lieber vorgarten, möchte ich Tortoise’s zweites Album MILLIONS NOW LIVING …, mit dem 21-minütigen (!) DJED empfehlen und natürlich den anderen drummer, Klaus Dinger. Aber kennst Du sicher schon.

Ceterum censeo, dass SOUND DUST unterbewertet wird.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)