Antwort auf: 21.01.2017: gypsy goes jazz – Thelonious Monk | 2016 war gar nicht so schlecht…

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18. Ba-lue Bolivar Ba-lues-are (Thelonious Monk)

Ernie Henry (as), Sonny Rollins (ts), Thelonious Monk (p), Oscar Pettiford (b), Max Roach (d)
Reeves Sound Studios, New York, NY, 9. Oktober 1956
von: Brilliant Corners (Riverside; CD: Thelonious Monk – The Complete Riverside Recordings, Fantasy, 15 CD, 1986)

Zum falschen Bild der Prestige-Jahre als Debakel – zwischen den hervorragenden frühen Aufnahmen für Blue Note und den vielen späteren Riverside-Aufnahmen – gehört auch, dass Monk von seinem neuen Label freigekauft wurde. Bob Weinstock von Prestige war kaum der richtige Produzent für den sperrigen Monk, dessen Platten sich nicht verkaufen wollten, und war 1955 willens, den weiterhin auf wenig Akzeptanz stossenden Pianisten gehen zu lassen – vorausgesetzt, seine Schulden würden getilgt. So lieh Orrin Keepnews, der junge Produzent bei Bill Grauers Label Riverside und schon seit 1948 ein Monk-Fan, dem Pianisten die nötigen 108,27 Dollar. Damit hatte – was damals allerdings noch niemand mit Sicherheit wissen konnte – die Firma Riverside ihren ersten Star an Bord.

Beim neuen Label machte man keine lockeren Blowing Sessions wie bei Prestige sondern verfolgte künstlerisch ambitioniertere Projekte, mit denen Monks Ruf aufgebaut, ihm die Möglichkeit gegeben werden sollte, seine Musik in verschiedenen Kontexten zu präsentieren. Den Auftakt machten dabei zwei Alben, auf denen Monk nicht seine eigenen Kompositionen spielte. Auf dem ersten Album von 1955, „Thelonious Monk Plays Duke Ellington“, sind Stücke vom grossen Bandleader, Komponisten und Pianisten zu hören, der durchaus als Vorbild und Vorgänger Monks betrachtet werden kann – im Trio mit Oscar Pettiford und Kenny Clarke, dem aufmerksamsten Monk-Begleiter unter den Schlagzeugern, der leider kurz danach nach Paris ging und nicht mehr für Aufnahmen zur Verfügung stand. Auf dem zweiten Album spielt Monk Standards, erneut im Trio mit Pettiford und jetzt mit Art Blakey am Schlagzeug. Vor allem auf diesem Album, „The Unique“, im Frühling 1956 entstanden, ist nichtsdestotrotz eigentliche Monk-Musik zu hören.

Richtig interessant wird es bei Riverside aber mit dem dritten Album, einem der wichtigsten aus Monks Katalog. Im Herbst 1956 war auch für Keepnews die Zeit reif dafür, dass Monk eigene Stücke für das neue Label einspielte – und was für welche! In dieser Zeit waren neue Kompositionen schon eher selten geworden, doch für die exzellente Band schrieb er gleich drei neue Stücke, darunter den komplexen Titeltrack, den wir in einer späteren, Max Roach gewidmeten Sendung hören werden. Auch neu war die Ballade „Pannonica“, seine Hommage an seine Schutzherrin und Förderin, die Baroness Pannonica de Koenigswarter.

Das dritte neue Stück hören wir heute, den langen Blues „Ba-lues Bolivar Ba-lues-are“. Es beginnt mit einem kurzen Piano-Intro, dieses wurde später weggeschnitten (es war nur auf der allerersten Pressung der LP zu hören) und überlebte nur in dieser bescheidenen Qualität. Dann spielen die Bläser zusammen mit Monk das viertaktige Motiv. Dieses spielt mit einem Dreier-Metrum, das über den Vierer-Puls gespielt wird – und in der dritten und letzten viertaktigen Gruppe wirklich zum Dreier wird. Ernie Henry am Altsaxophon spielt das erste Solo – er war zwar schon nahezu ein Veteran (geboren 1926, gespielt 1947 mit Tadd Dameron, 1948/49 mit Dizzy Gillespie, 1950–52 mit Illinois Jacquet etc.), doch seine traurige Lebensgeschichte sorgte dafür, dass er auch 1956 noch ein vielversprechendes Talent war, eher denn ein arrivierter Musiker. Ein Jahr später war er bereits tot – Heroin-Überdosis. Max Roach intensiviert seine Begleitung unter Henry immer mehr, Monk setzt gegen Ende des Solos aus – ein Zeichen dafür, dass Henry seine, Monks, Musik begriffen hatte, dass er ihn nicht mehr führen musste. Dann folgt das Klaviersolo, sparsam, voller Ideen und Einfälle, die später zum typischen Fundus von Monk-Licks gehören sollten. Sonny Rollins’ Solo am Tenorsaxophon ist dann ein paar Stufen derber, zupackend und direkt, zugleich aber stark auf die Pianobegleitung bezogen. Pettiford spielt dann ein meisterhaftes Blues-Solo und auch Max Roach kommt vor der Reprise zu Zug und nutzt die Gelegenheit ganz hervorragend.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba