Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › Die besten Alben › Labyrinths – Irrlichts Alben-Faves › Antwort auf: Labyrinths – Irrlichts Alben-Faves
Bin gerade über diesen Thread gestolpert. Die Idee finde ich gut, dass über einzelne Platten und ihre Wirkung gesprochen wird. Dass die Texte dazu auch mal provokant sein können, ist dienlich, weil man dann auch dazu angeregt wird, die Gründe für den eigenen Widerspruch zu erfühlen/analysieren. Ich kenne die meisten besprochenen Platten nicht und hab mir deshalb nur die beiden Texte über Closer und The dark side of the moon, welche ich beide besitze, durchgelesen. Die anschließenden Diskussionen habe ich dann zumindest bei DSOTM überflogen. Die Kernaussage, dass DSOTM eine hübsche kleine Popplatte ist, teile ich in seiner „Gänze“ so nicht. Das kommt natürlich Jahre zu spät hinterher, aber ich schreibe diesen kleinen Text eher für mich, weil ich zuerst nicht sagen konnte, wieso ich da nicht zustimme. Es schien mir lohnend zu sein, darüber nachzudenken.
Deine Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. Die Texte scheinen unkonkret, die Produktion ist bombastisch, vielleicht ist da nur viel heiße Luft. Diese Facette der Platte hatte ich bisher gar nicht so erkannt, dass man die Platte auch so wahrnehmen kann. Wieso fühlt es sich für mich (zumindest) nicht so an?
PF versuchen hier natürlich etwas ganz Großes: einen Blick auf das menschliche Treiben von der Metaebene aus. Das allein erklärt schon die spacige Produktion, die überirdisch klingen muss (Man stelle sich die Texte mal als Countryschunkelei vor; das würde einfach nur doof, fast schon lustig klingen. Wobei, Johnny Cash hätte es vielleicht geschafft ;-)). Hier wird bildlich von oben draufgeschaut, wie der Songtitel „Great Gig in the Sky“ erahnen lässt. Und es erklärt auch die „unkonkreten“ Texte die verschiedene Punkte herausgreifen, verschiedene Mechanismen betrachten oder sie erst erkennen. Und diese Mechanismen/Wahrheiten sind im Prinzip ziemlich banal, lassen sich oft auf ein paar Worte reduzieren, als würde man bei einem Fußballspiel sagen, dass die Mannschaften einfach nur versuchen den Ball ins Netz zu bringen, das ist nicht sehr tiefgründig.
Das Album hat ja gar nicht so viel Text. In „Time“ wird die Zeit und ihre Natur untersucht. Wie beeinflusst sie unser Leben? In „Money“ wird das menschliche Streben nach immer mehr Besitz, die Gier, thematisiert. In „Us and Them“ geht es um die Kämpfe zwischen den Menschen. In „Brain damage“ wird das Böse als Teil unserer eigenen Seele erkannt. „Breathe“ zeigt das Hamsterrad namens Leben. Ein Hase, der immer neue Löcher graben muss. Und „Eclipse“ versucht dann eine Art Klammer zu schließen, die das Album aufmacht. Die Erkenntnis ist die, dass alle Dinge natürlich in ihrem Ablauf sind und so zueinander passen, von der Natur aus gesehen. Aber von der menschlichen Sicht aus tragen diese Dinge oftmals etwas Trauriges, Dunkles, Unedles, Böses in sich, dass sich wahrscheinlich (leider) nicht vermeiden lässt, sozusagen systemimmanent ist (Da kommt mir gerade folgende ironische Liedzeile in den Sinn: „Frieden ist dann, wenn es keinen Krieg mehr gibt, aber Krieg ist das, was uns mehr liegt“). Und genau dafür steht die Metapher „dark side of the moon“. Mich wundert, dass keiner auf diesen vagen Begriff eingegangen ist (Hat jemand andere Deutungen?). Auf diesem Album wird wirklich nur untersucht, was das Leben schwer macht (Ich glaube es ist ein Fehler von einem „Protagonisten“ bei den Songs zu reden). Die Liebe als zentraler Bestandteil wird weitestgehend ausgeblendet.
Natürlich kann es unbefriedigend sein, dass dieses Album keinen Ausweg aus diesem Dilemma aufzeigt, es benennt nur den Istzustand und formuliert Erkenntnisse, die jeder mehr oder weniger selbst mit zunehmendem Alter macht (Die Optimisten gewichten sie vielleicht weniger stark). Es formuliert sozusagen eine Enttäuschung über die Unvollkommenheit der Menschheit/des Lebens. Und in keinem anderen Lied als dem „Lounge-Muzak“ „Us and them“ kommt das so gut zur Geltung. Jedes Mal, wenn ich diese langsam voranschreitende Melodie höre und dann dieser spezielle Akkord auftaucht, den Rick Wright irgendwo abgeschaut hat, dann bekomme ich ein Gefühl von grenzenloser Ernüchterung. Das klingt wie ein Seufzer. Und dann kommt da dieses schwebende Saxofon um die Ecke und verleiht dieser Gewöhnlichkeit einen eigenartigen Glanz, hadert hoffnungsvoll. Und David Gilmour singt diese so einfachen Zeilen über die Paradoxie und Sinnlosigkeit von Krieg. Menschen werden gezwungen, sich auf eine Seite zu stellen, obwohl sie eigentlich Brüder sind. Und das wiederholt sich immer wieder, round and round. Ich habe selten ein Lied gehört, bei dem Aussage und Melodie so gut Hand in Hand gehen. Das majestätische Ende mit „Eclipse“ steht dazu im Kontrast. Es ist vielleicht der einzige hoffnungsmachende Song auf dem Album. Aber nicht wegen der Aussage, dass der Mond die Sonne verdunkelt, sondern wegen der Art und Weise wie das vorgetragen wird. Da wird fast schon jubiliert. Das pure Aussprechen einer deprimierenden „Wahrheit“, eine Art Anerkennung jener, wirkt befreiend. Da steckt der große Trost in dieser Platte.
Ich glaube der Erfolg der Platte gründet bei vielen auf dem Sounderlebnis, das man hat. Man nimmt sicherlich auch die Texte wahr, aber auch ohne Texte könnte man die Aussage dieser Platte erahnen. Dass manche Soundspielereien nerven, stimmt aber schon. Das Geklingel oder diese eine Wabermodulation hätten nicht sein müssen. Aber ich habe diese Alben immer gemocht, die wie eine sinnlose Skulptur, hellerleuchtet in dunkler Nacht stehen und von den Künstlern gemacht werden, um der Vergänglichkeit etwas entgegenzusetzen. Und dieses Album ist eine (grobe) Bestandsaufnahme der „Dunkelheit“.
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I used to be darker, then I got lighter, then I got dark again