Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

#10044747  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

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Vielen Dank für diese Ausführungen. Du bist also Wagnerfreund … zumindest im Prinzip, dass zum Raum gerne einmal die Zeit werden dürfe. Das Moment, dass nach Ablauf von Zeit – im Schlusssatz – eine Erwartung des „Auf-einmal-ist-alles-gebündelt-da“ möglich sei, verstehe ich gut, dehne es aber inzwischen aus auch auf den Anfang der Komposition, in dem dann schon alles steckt. Kann man das so sagen, dass wir hier bei dem Problem von Erfindung und ihrer Vollendung stecken – und notwendig stecken bleiben? Vielleicht ist ja stets die Tatsache einer möglichen Durchführung das, was jeweils bleibt. Grund zur Angst, wohl, und darin dann einer Beschränkung, die natürlich – stelle ich mir vor, weil ich selbst nicht komponieren kann – ständig aufs Neue über sich hinaus will.

Mit der Dur-Geschichte bei Tschaikowsky – ich finde den bisher gar nicht so toll, aber immerhin hat mir Gitlis kürzlich mal das Violinkonzert erklärt, seitdem verstehe ich es auch von anderen – erinnerst du mich an Goulds Aufbesserung von Mozarts Klavierkonzert Nr. 24, KV 491. Halte ich, nebenbei, immer noch für die packendste Einspielung des Konzerts. Also na ja, wenn ich mich richtig erinnere, hat Gould eine Dur-Geschichte im Schlusssatz gestört, die er hopps geändert hat.

„Materialermüdung“ ist gewiss ein nachdenkenswertes Wort. Es schließt gedanklich die Vorbereitung, Erwartung und Erfüllung zusammen – und schließt die Enttäuschung nicht aus. Also die Summe irdischen geneigten Lebens, obwohl das auch wieder Temperamentssache ist. Und dann kommen noch die Vervielfachungen der Interpretation hinzu, die Leute, die da an der Musik arbeiten und die einfachen Hörer wie ich, die sich auch wieder eine Meinung bilden, irgendwie im Lebensklabums geschult, mit Vorbereitungen, Erwartungen usw. Könnte doch sein, dass der einfältige pathetisch-hymnische Gestus von Tschaikowsky hingenommen wurde von ihm selbst? Mit Absicht? Und dann mit Übertreibung? Es bleibt da wohl nur die Offenheit, die sich trotzdem Gedanken macht, um nicht ins Beliebige rutschen. Ach, immer diese Arbeit, selbst im Vergnügen. Immerhin würde ich den Komponisten, die sich eine Materialermüdung zu Schulden kommen lassen, diese erlassen. Konstruktionen blühen doch selten, Bach ist zwar ein Dauergärtner, aber lassen wir ihn besser dort, wo er ist, tief im Herz, das im Leben kein Maßstab ist. Nicht ohne Enttäuschung.

That said, now:

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