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gypsy-tail-wind… Miles Davis …
ich habe ca 1991 angefangen, jazz zu hören, mein erstes album war, damals aktuell, AURA. WE WANT MILES war ein früher favorit, THE MAN WITH THE HORN kam später. und jetzt ist es das einzige album, das aus der comeback-zeit überlebt (neben STAR PEOPLE vielleicht; TUTU ist mir viel zu synthetisch, alles andere zu „produziert“). an MWTH liebe ich den garagen-sound, diese irre kombination mit den beiden pop-arrangements, vor allem aber, was da marcus miller und al foster miteinander machen. miller im ersten stück spielt meines erachtens nach den tollsten e-bass aller zeiten, es macht mich jedesmal fassungslos, wie er den funk da herauskitzelt (und dabei harmonisch elastisch bleibt).
„Star People“ finde ich, eher vom Jazz her betrachtet, wohl auch das stärkste der Alben von nach dem Comeback, neben „We Want Miles“. Die Skepsis gegenüber „Tutu“ legte ich lange nicht ab, aber das (fast) Pop-Album „Amandla“ mochte ich dafür immer – das lief damals bei uns rauf und runter, weil meine Mutter es wohl bei Erscheinen kaufte und sehr gerne mochte. Dort ist Miller ja in seiner Pastorius-Hommage ganz zum Ende auch wieder grandios! Den Garagen-Aspekt von „Man with the Horn“ kann ich nachvollziehen, wäre aber nie ein Faktor, auf den ich selbst gekommen wäre.
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gypsy-tail-windZu Coltrane: „Crescent“ ging ja doch nicht vergessen … wenn meine Liste mal überarbeitet würde, wäre das wohl die Nr. 1 (und zwar schon seit einer ganzen Weile). „Stellar Regions“ hat dafür bei mir bis heute nicht gezündet, da wären wohl 25 andere Alben davor (was heisst ganz viele Atlantic- und Prestige-Alben, nicht nur Impulse-Veröffentlichungen).
ein perfekteres coltrane-album als CRESCENT gibt es nicht. aber seine musik war ja überhaupt nicht auf perfektion angelegt – und wenn man das explorative nimmt, kommt man wohl immer wieder einerseits zu den village-vanguard-sachen mit dolphy aus oder eben zur letzten band. INTERSTELLAR SPACE ist da unverzichtbar, EXPRESSION auch, vieles aus der zwischenphase (ASCENCION, SUN SHIP, OM) ist mir zu ausufernd, auf STELLAR REGIONS bekommt alles wieder eine (außerirdische) lakonie, knappheit, schönheit – als wäre er da schon nicht mehr im irdischen. für mich ist es quasi das CRESCENT der schlussphase.
In Sachen „explorativ“ mag ich ja bekanntlich die ganzen 1965er-Aufnahmen mit der klassischen Besetzung unheimlich gerne. „Sun Ship“ ist für mich vielleicht die Quintessenz bzw. Kombination der Perfektion mit dem Explorativen. Aber auch die ganzen Studio-Sessions aus der ersten Jahreshälfte, die erst vor ein paar Jahren erschienenen Live-Aufnahmen „One Down, One Up“ oder die Live-Aufführung von „A Love Supreme“ auf Antibes … Dein Urteil zu „Stellar Regions“ kann ich nachvollziehen, aber mich packt das Album halt leider einfach nicht so recht, ich fand es seit seinem Erscheinen relativ schwach und ein ganzes Stück zu zahm.
vorgarten … EYES OF THE HEART dokumentiert etwas völlig verrücktes, was sich live ereignet. ich kenne nichts vergleichbares. mit der pointe, dass das ausgerechnet in einem solch perfektionistischem umfeld entsteht wie bei ecm und jarrett.
Ja, klar, das ist schon super! (Kommt dennoch bei mir nicht in die Nähe von Bestenlisten, aber das weisst Du ja.)
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das murray-album fasst gut zusammen, was ich im jazz vor allem suche: eleganz und verzweiflung, das drängende und gleichzeitig lässige, alles zusammen in einem moment, in dem vier leute ungefähr gleich klicken und etwas kommunikativ herstellen, was größer ist als die einzelnen musiker. hier kommt noch diese merkwürdige murray-mischung aus kitschnahen kompositionen und punkiger krawall-lust dazu. und es ist das schönste, was ich vom pianisten hicks kenne.
Der Satz stimmte mich nachdenklich – ich weiss nämlich nicht, was ich im Jazz suche oder vor allem suche. Diese Frage habe ich mir nie gestellt bzw. es geht um dermassen existentielle Fragen, dass sie sich mir einfach nie stellte. Ohne ginge nicht. Aber alles in allem – vielleicht abgesehen von der Eleganz, da habe ich meine Fragezeichen, Eleganz ist mir nicht so wichtig oder ich würde das anders umschreiben – finde ich mich in Deiner Beschreibung durchaus wieder. Zur Verzweiflung müsste aber noch die nicht unterdrückbare positive Kraft rein, die Lebensfreude oder -bejahung, die immer wieder transportiert wird … und die natürlich ganz essentiell mit dem zu tun hat, was man „Swing“ nennt, selbstverständlich in all seinen bis heute entwickelten Varianten, frei und weniger frei, klassisch ternär oder binär oder einfach nur bekloppt wie bei manchen Europäern – und die Vielheit der Möglichkeiten, die ja nicht nur das Rhythmische betrifft, ist natürlich auch ganz zentral.
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gypsy-tail-wind … Getz/Bosssa…
… eine „schwäche“ habe ich eher für das album mit byrd, das viele ja so stumpf finden. aber warum das alles präferieren, wenn man getz plus jobim plus gilberto plus gilberto (plus milton banana) haben kann? bonfá kann ich als gitarristen nicht auf der höhe von gilberto diskutieren (almeida auch nicht). aber schön ist das alles. ich höre die GETZ/GILBERTO aber auch nicht als getz-album, sondern als perfekte synthese von sehr vielen sachen (jazz, pop, bossa, skurrilität und charme, perfektion und dilettantismus, kitsch und heiliger ernst…)
Das Album mit Byrd mag ich auch unheimlich gerne – ich würde es wohl noch vor „Getz/Gilberto“ einreihen, aber da kommen wir von anderen Ausgangspunkten. Aber, weil ich von Gitarre wenig Ahnung habe: sagst Du, dass weder Bonfá (da ist das ja egal, er macht die Songs!) noch Almeide (das würd mich eher überraschen) als Gitarristen Gilberto das Wasser reichen können? Oder ist das einfach eher eine Vorliebe Deinerseits? (Und übrigens höre ich da dann gerade auch keine McFarland-Sternstunde.)
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gypsy-tail-wind#34, Anita O’Day: Du weisst ja, wie sehr ich sie mag … aber dieses Album ist mir halt auch irgendwie etwas zu gepflegt, aber ich nähere mich allmählich an
mir nach wie vor komplett schleierhaft, wie man das album „gepflegt“ finden kann. ich kenne mit riesen abstand nichts kratzbürstigeres von day, nichts mit komplexeren arrangements, fetzigeren (aber vertrackten) rhythmen… eine riesen herausforderung für eine sängerin, die sie aber angeht, als sei sie gerade erst aufgestanden. und dann gibt es natürlich noch den titelsong…
Natürlich, O’Day nahm immer jede Herausforderung an, und gefetzt hat eh fast alles, was sie machte … dazu war McFarland gar nicht nötig. Ich höre z.B. die Aufnahme mit Giuffre einfach noch lieber, finde sie auch von der Begleitung her ansprechender/interessanter. Aber da werden wir uns wohl nicht einigen, ist ja auch nicht weiter schlimm.
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gypsy-tail-wind… Joe Henderson…
schwieriger fall. mir geht es wohl eher um die dorham/henderson-band, und da finde ich bis auf das erste album alle top-100-würdig. an PAGE ONE komme ich dann aber vor allem deshalb nicht vorbei, weil da die hits drauf sind und es insgesamt keinen moment hat, der nicht zum sterben schön wäre.
Alles klar – ich mag die Dorham/Henderson-Band irgendwie als Idee lieber denn als Emanation (ihre Alben). Das ist ja nicht sooo selten, und manche Dinge sind einem dann eben doch wichtig genug, dass sie unbedingt rein müssen. Und in Sachen „top-100-würdig“: eigentlich müsste man ja mal die komplette Liste mit ALLEN betreffenden Alben erstellen, also 30 Mal Miles, 30 Mal Coltrane, 20 Mal Mingus, 15 Mal Monk usw. – mit Ranking würde ich das niemals hinkriegen, aber vielleicht sowas wie Töpfe 1 bis 5, um wenigstens eine grobe Abstufung hinzukriegen … aber mich scheut der Aufwand, und gerade bei einem solchen Unterfangen würde es mich halt wieder massiv stören, dass fast alle Musik von 1950 ausgeschlossen wird.
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gypsy-tail-wind … Bach mit Milstein…
ich meine genau die DG-ausgabe, die du nicht kennst. sie hat für mich genau die richtige mischung aus struktur und emotion, die es braucht, um bach für mich absolut essentiell zu machen. ich habe, ehrlich gesagt, danach keine andere einspielung mehr gesucht.
Ich kenne die Milstein-Aufnahme auf DG schon, habe sie aber erst ein oder zweimal angehört. Werde das bald mal wieder tun, aber vermutlich bin ich da inzwischen zu weit drin, als dass ich mich einer halb-bekannten Aufnahme so völlig öffnen könnte, ohne das andere Gehörte und Geschätzte zu verdrängen. Aber das ist ja auch kein Problem, ich lasse gerne zehn verschiedene Einspielungen nebeneinander stehen, gerade bei solchen Werken. Das persönliche Highlight ist dabei ja eh das Konzert mit Isabelle Faust vor etwas über einem Jahr, alle sechs am Stück – eine Epiphanie.
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gypsy-tail-wind… Herbie Hancock …
eine späte liebe, auf jeden fall. wirklich schwache hancock-alben gibt es ja in der blue-note-phase nicht. vor THRUST kämen für mich auf jeden fall noch die mawandishi-sachen, SEXTANT vor allem. SPEAK LIKE A CHILD aber ist bei mir aber zur persönlichsten beziehung geworden, wegen der kristallinen rhythmusgruppe und den hintergründig komplexen arrangements. auch der gesamtsound ist ziemlich unvergleichbar. aber klar ist das mood music! (da hören wir vielleicht wirklich anders, aus einer hardbop-gewohnten perspektive gibt es sicher andere hancock-alben, die da nach oben drängen).
Ja, „Sextet“ unbedingt, ich weiss gar nicht, was damit bei meiner Liste passiert …
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gypsy-tail-windHier noch die – nicht wenigen – Alben, die ich nicht kenne … müsste ich davon (von Fred Anderson, Bheki, Dilla, Yamashita, Grisey, Ulmer abgesehen) mal was unbedingt antesten, was meinst Du? Lobo, Veloso, Tricky? (Von letzterem kenne ich weiterhin nur „Maxinquaye“, schafft es aber in keine Lieblingsliste.)
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7 talk talk: the laughing stock
10 talk talk: spirit of eden
11 chris garneau: music for tourists
19 federico mompou: musica callada (herbert henck)
23 steve coleman group: motherland pulse
30 caetano veloso: transa
35 kante: zombi
37 laika: silver apples of the moon
39 radiohead: in rainbows
40 mark hollis: mark hollis
50 here we go magic: here we go magic
51 ricardo villalobos: alcachofa
53 grace jones: nightclubbing
58 radiohead: amnesiac
60 propaganda: a secret wish
61 edu lobo: cantiga de longe
66 tindersticks: across six leap years
67 paul clayton: wailing & sailing songs
74 linda perhacs: parallelograms
84 tricky: angels with dirty faces
87 laika: good looking blues
98 the necks: piano, bass, drums
100 ryuichi sakamoto: beautyhmm, schwer zu sagen, weil ich – außerhalb von jazz – nicht gut einschätzen kann, was dir gefällt. das tricky-album ist unvergleichlich düster, komplex und schleppend groovy (olivers sohn gene lake sitzt an den drums), in die beiden letzten talk-talk-album und das von mark hollis müsste man sich eigentlich aus einer jazzperspektive heraus sofort verlieben (in das kante-album vielleicht auch). laika war die beste triphop-band in der massive-attack-tricky-portishead-zeit, die keiner gehört hat, CANTINGA von edu lobo ist unter den brasil-alben vielleicht das ernsteste, MOTHERLAND PULSE aus steve colemans frühphase würde ich sehr empfehlen, weil es (wie auch das schon oft empfohlene debütalbum von cassandra wilson) noch eine mischung aus loft-avantgarde, garagensound und frühen m-base-ideen ist (komplett akustisch), ohne die spätere digitale coolness; das necks-album ist (neben AETHER) die perfekteste dokumentation der live-magie der band; ALCACHOFA ist das komplexeste, detailreichste techno-album, das ich kenne (mehr davon ist nicht in der liste, weil ich sowas schlecht von der club/körper-erfahrung trennen kann); TRANSA von veloso könnte dir gefallen, wenn du brasilianische psychedelia und die beatles magst tindersticks sowieso ein ewiger tipp (plus die damit vernetzten filme von claire denis), der rest (garneau, clayton, propaganda, …) ist sehr persönlich, ich habe nicht den hauch einer idee, wie andere das hören.
Gut, Tricky und Laika merke ich mir mal für die nächste nostalgische Portishead/Trip Hop-Phase, so die denn kommt (bisher war sie jeweils so kurz, dass einmaliges Wiederhören von „Dummy“ eigentlich gereicht hat). Lobo und Coleman merke ich mir auch mal, Veloso wohl her nicht (ich mag die Beatles, aber ich mag fast nie, wenn andere Beatles spielen), zu Denis und den Tindersticks kome ich irgendwann einmal …
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edit. bei mompous MUSICA CALLADA würde ich noch am ehesten davon ausgehen, dass sie was für dich wäre. ein absoluter solitär in der klassik, einfach, hintergründig, selbstvergessen, harmonisch komplex (was man nicht hört). für sowas wurde eigentlich ecm new series erfunden. auch sonst für jede(n) ein tipp, die/der klassik nur ausschnittsweise hört (das gilt jetzt natürlich nicht für dich!).
Da kenne ich bisher nur Verstreutes (Ciccolini, Rubinstein, Benedetti Michelangeli, Tharaud), zudem ein Jazz-Album, das sich auf Mopous „Musica callada“ bezieht (Couturier/Méchali/Laizeau, „Musica Callada“, Zig Zag Territoires, 2009). Irgendwo ist auch noch was da, wo Mompou selber spielt, aber ich weiss nicht genau, was er da genau spielt (auf jeden Fall Eigenes).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba